Japans eige­ner Umgang mit der Krise

Man bleibt vorsichtig in Tokio.
Man bleibt vor­sich­tig in Tokio. Rod­ri­go Reyes Marin / Shut​ter​stock​.com

In Japan wur­den im März gros­se Ver­an­stal­tun­gen und Kon­zer­te abge­sagt, Sport­an­läs­se ver­scho­ben, Muse­en und Ver­gnü­gungs­pär­ke geschlos­sen und weit­rei­chen­de Ein­rei­se­ver­bo­te erlas­sen (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Die Flug- und Tou­ris­mus­bran­che hat es stark getrof­fen (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Auch im Insel­staat ist die Angst um Covid-19 in den Medi­en und in den Köp­fen der Men­schen stän­dig prä­sent, Zurück­hal­tung ist das Wort der Stun­de. Und den­noch nimmt der All­tag im Insel­staat im Ver­gleich zu Euro­pa sei­nen gewöhn­li­chen Lauf. 

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Es ist Kirsch­blü­ten­zeit. Die Men­schen spa­zie­ren in gros­sen Scha­ren durch die Park­an­la­gen. Büros, Geschäf­te, Restau­rants und Hotels haben geöff­net. Der öffent­li­che Ver­kehr ist eben­falls in Betrieb. Vor zwei Wochen kamen Tau­sen­de zur Eröff­nung des neu­en Bahn­hofs Taka­na­wa Gate­way (Asi­en­spie­gel berich­te­te). In Saita­ma fand am Wochen­en­de ein Kampf­sport-Anlass mit 6500 Zuschau­ern statt. Am 21. März ström­ten über 50‘000 Men­schen in den Bahn­hof Sen­dai, um die olym­pi­sche Flam­me zu sehen. Anfang April soll sogar der Schul­be­trieb wie­der begin­nen. Kri­se ist anders. 

Die Kri­tik

Es ist ruhig geworden im Flughafen Haneda. Die Flug- und Tourismusbranche trifft es hart.
Es ist ruhig gewor­den im Flug­ha­fen Hane­da. Die Flug- und Tou­ris­mus­bran­che trifft es hart. alp­hos / Shut​ter​stock​.com

So fragt man sich, ob Japan die Lage tat­säch­lich im Griff hat? Die Anste­ckungs­zah­len neh­men zwar ste­tig zu, jedoch nicht explo­si­ons­ar­tig. Am 25. März 2020 waren es 1193 bestä­tig­te Fäl­le in einem Land mit 127 Mil­lio­nen Ein­woh­nern (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Alles kein Pro­blem, möch­te man mei­nen. Es gibt jedoch Kritik. 

Die Regie­rung hal­te die Zah­len bewusst tief, um die Som­mer­spie­le nicht zu gefähr­den, hiess es lan­ge. Die­ses The­ma ist seit ges­tern jedoch vom Tisch (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Ein wei­te­rer Vor­wurf: Das Land nimmt schlicht­weg viel zu weni­ge Tests vor. Tat­säch­lich geht man dies­be­züg­lich spar­sam um. Vom 18.2. bis 22.3. waren etwas über 40‘000. Das ist weit­aus weni­ger als in der klei­nen Schweiz, wo schon über 80‘000 Tests gemacht wur­den. Das japa­ni­sche Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um hält offen­sicht­lich bewusst an die­sem Weg fest. Es scheint, dass man damit das Gesund­heits­sys­tem vor einem Ansturm bewah­ren möch­te. Japan war auch eines der ers­ten Län­der, das beton­te, man sol­le bei ers­ten schwa­chen Sym­pto­men zunächst mal vier Tage zuhau­se blei­ben und nicht gleich zum Arzt rennen. 

Das Lob

In der Tokioter Metro.
In der Tokio­ter Metro. Kavo­le­lis / Shut​ter​stock​.com

Viel­leicht lässt sich die rela­tiv über­schau­ba­re Lage auch ganz anders erklä­ren. In Japan hält man ganz natür­lich eine gewis­se Distanz zum Gegen­über. Man schüt­telt sich nicht die Hän­de, gibt kei­ne Küss­chen und umarmt sich auch nicht bei jeder Gele­gen­heit. Der Mund­schutz gehört schon lan­ge zum All­tags­bild. Im voll besetz­ten Zug ist man still. Es fin­den kei­ne unnö­ti­gen Small­talks statt. Schon Ende Janu­ar ver­stärk­te man wegen der Kri­se im Nach­bar­land Chi­na die Hygie­ne­mass­nah­men, was zu einem dras­ti­schen Rück­gang der sai­so­na­len Grip­pe­fäl­le führ­te (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Bis heu­te wird zudem jeder Covid-19-Fall doku­men­tiert und anony­mi­siert auf der Web­site des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums publi­ziert. Man erfährt so den Krank­heits­ver­lauf und die Auf­ent­halts­or­te vor der Erkran­kung. Betrof­fe­ne in der unmit­tel­ba­ren Regi­on kön­nen somit bes­ser ein­schät­zen, ob sie mög­li­cher­wei­se ange­steckt wur­den. Mög­li­che Clus­ter wer­den mit die­ser Metho­de schnell entdeckt. 

Der Zustand der Spitäler

Wel­che The­se nun stimmt, ist schwer zu sagen. Letzt­end­lich lässt sich eine Häu­fung von Fäl­len nicht ver­ste­cken. Die Öffent­lich­keit bemerkt es spä­tes­tens, wenn die Kran­ken­häu­ser Alarm schla­gen. Das war auf der Nord­in­sel Hok­kai­do Ende Febru­ar der Fall. Dort stie­gen damals die Zah­len der­art rasant an, dass der Gou­ver­neur für drei Wochen den Not­stand aus­rief und die Leu­te bat, mög­lichst zuhau­se zu blei­ben. Seit­her haben sich die Zah­len sta­bi­li­siert, die Kran­ken­häu­ser konn­ten auf­at­men. Der Not­stand ist seit dem 19. März 2020 auf­ge­ho­ben (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Die lau­ern­de Gefahr

Aus­ge­stan­den ist die Coro­na­vi­rus-Kri­se des­we­gen noch lan­ge nicht, ganz im Gegen­teil. Inzwi­schen hat sich der Fokus auf die urba­nen Regio­nen ver­scho­ben. Die Gou­ver­neur der Nach­bar­prä­fek­tu­ren Osa­ka und Hyo­go schlu­gen vor dem Fei­er­tags­wo­chen­en­de von letz­ter Woche Alarm. Man sol­le auf Rei­sen zwi­schen den bei­den Regio­nen mög­lichst ver­zich­ten. Im schlimms­ten Fall kön­ne die Zahl der Infi­zier­ten in bei­den Prä­fek­tu­ren in den nächs­ten zwei Wochen von heu­te 250 auf über 3300 anstei­gen.

Auch in der Haupt­stadt ist man besorgt. Yuri­ko Koi­ke, die Gou­ver­neu­rin der Metro­pol­re­gi­on Tokio, beton­te, dass man nun in einer kri­ti­schen Pha­se sei. Bis zum 12. April sol­le man wei­ter­hin von grös­se­ren Ver­an­stal­tun­gen und Ansamm­lun­gen bit­te abse­hen, um das Risi­ko von wei­te­ren Clus­ter-Bil­dun­gen und einer explo­si­ons­ar­ti­gen Ver­brei­tung zu ver­hin­dern. Die Unter­neh­men bit­tet sie, auf Home-Office zu setzen. 

Die Rede vom Lockdown

Inzwi­schen hat Tokio 211 bestä­tig­te Covid-19-Fäl­le (Stand: 25. März). Seit Mit­te März ver­mel­det man hier täg­lich rund 10 neue Fäl­le. Ges­tern waren es 17. Heu­te min­des­tens 40. Wie hoch die Dun­kel­zif­fer ist, weiss nie­mand. Damit hat Tokio die bis­he­ri­ge Kri­sen­re­gi­on Hok­kai­do über­holt. Die Ent­wick­lung berei­tet Sor­ge. Koi­ke sprach erst­mals davon, dass sie im schlimms­ten Fall einen Lock­down in Betracht zie­hen müs­se, wie die Sank­ei Shim­bun berich­tet. In den nächs­ten drei Wochen wird man genau hin­schau­en, wie sich die Lage in den urba­nen Regio­nen wei­ter­ent­wi­ckeln wird. Zumin­dest ist der Druck, wegen Tokyo 2020 mög­lichst viel Nor­ma­li­tät zur Schau zu stel­len, nun end­gül­tig weg.

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