Covid-19: Die Millionenstadt, die vergessen ging
Anfang dieser Woche erklärte die japanische Regierung aufgrund der immer rasanteren Verbreitung des Coronavirus den Notstand für die Regionen Tokio-Kanagawa-Saitama-Chiba, Osaka-Hyogo und Fukuoka (Asienspiegel berichtete). Es sind alles wichtige wirtschaftliche Hubs des Inselstaates und wegen ihrer Bevölkerungsdichte perfekte Infektionsherde. Die Präfektur Aichi, Heimat der Millionenstadt Nagoya und des Autobauers Toyota, suchte sich derweil vergebens auf der Liste der Regionen im Ausnahmezustand und dies, obwohl man auch hier bereits 283 Covid-19-Fälle registriert hat. Lediglich fünf andere Präfekturen weisen mehr Ansteckungen auf.
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In den sozialen Medien waren die Meinungen schnell gemacht. Wieder einmal sei Nagoya übergangen worden. Von Nagoya tobashi spricht man in diesem Zusammenhang auf Japanisch (Asienspiegel berichtete). Die viertgrösste Stadt Japans fühlt sich regelmässig übergangen. Geografisch zwischen den noch grösseren Metropolen Tokio und Osaka gelegen, wirkt die Stadt mit ihren 2,2 Millionen Einwohnern immer etwas kleiner als sie eigentlich ist. Zu gerne wird sie vernachlässigt.
Die Millionenstadt zwischen Tokio und Osaka
Die Regierung in Tokio hatte jedoch eine wissenschaftliche Erklärung für ihren Entscheid. In Tokio und Osaka würden sich die Covid-19-Zahlen alle fünf Tage verdoppeln. In Aichi seien es nur alle 23 Tage. Ausserdem sei hier nur ein Viertel der Fälle nicht mehr rückverfolgbar. Eine Notstandserklärung sei noch nicht notwendig.
Takashi Kawamura, Bürgermeister von Nagoya, schien mit der Interpretation der Regierung jedoch nicht zufrieden zu sein. Er bat die Regierung, auch für Aichi den Notstand auszurufen. Immerhin halten hier mehrmals pro Stunde aus Tokio und Osaka kommende Shinkansen. Nagoya ist eng verwoben mit den beiden Metropolregionen und somit mittendrin in dieser Krise (Asienspiegel berichtete). Ausserdem sorgt man sich in Nagoya, von wirtschaftlichen Hilfsmassnahmen so ausgeschlossen zu werden.
Der selbsterklärte Notstand
Nach erstem Zögern zog Gouverneur Hideaki Omura nach. Er forderte von der Zentralregierung, auch für Aichi den Ausnahmezustand auszurufen. Er ging sogar einen Schritt weiter und erklärte gleich eigenhändig den Notstand für seine Präfektur, beginnend mit dem heutigen Freitag, 10. April 2020. «Wir sind an einem kritischen Punkt angelangt», sagte er. Auch in Aichi sollen die Menschen nun möglichst zu Hause bleiben. Einzige Ausnahmen seien der Weg zum Supermarkt, Krankenhaus oder zur Arbeit. Die Schulen bleiben nun auch in Aichi bis 6. Mai geschlossen.
Dass eine Notstandserklärung auch ohne rechtliche Grundlage Wirkung zeigen kann, hat bereits die Nordinsel Hokkaido bewiesen. Dort konnte man das Tempo der Ansteckungen dank eines dreiwöchigen Notstandes, den der dortige Gouverneur ebenfalls eigenhändig ausrief, im März entscheidend verlangsamen.
Nagoya ist nicht allein
Wie die Zentralregierung in Tokio auf die Forderung von Nagoya reagieren wird, ist noch nicht klar. Man werde zunächst die Meinungen des Expertenrats anhören, sagte Kabinettssekretär Yoshihide Suga. Nagoya ist übrigens nicht allein. Gestern wurde bekannt, dass auch die alte Kaiserstadt Kyoto für ihre Präfektur ganz offiziell den Notstand fordert. Die Politik des regional begrenzten Notstands stösst schon jetzt an ihre Grenzen.
Update, 10. April 2020
Auch Gifu und Mie, zwei Nachbarpräfekturen von Aichi, haben heute eigenhändig den Notstand ausgerufen.
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