Tokio vor 100 Jahren, neu gesehen
Historische Schwarz-Weiss-Aufnahmen erzeugen stets eine unüberwindbare Distanz zu den festgehaltenen Personen und Szenerien. Die Welt von damals war aber nicht still und grau. Seit einigen Jahren werden dank immer neuen digitalen Produktionstechniken Filmen aus der Vergangenheit neues Leben eingehaucht. «They Shall Not Grow Old» von Peter Jackson ist ein Paradebeispiel für diese Möglichkeiten. Auch der YouTube-Nutzer Denis Shiryaev versteht es, historischen Filmsequenzen eine moderne Ausdrucksweise zu verleihen.
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Ein Tokio aus einer anderen Zeit
Sein neueste Arbeit erlaubt einen ungewöhnlich realistischen Einblick in das Tokio aus den Jahren 1913 bis 1915. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz hat er Archivaufnahmen, die im Besitz des holländischen Filmmuseums Eye (siehe originaler Filmbeitrag ganz unten) sind, auf 60 Bilder pro Sekunde und 4K-Qualität hochskaliert.
Zusätzlich hat er das Rauschen entfernt, Beschädigungen ausgebessert, Gesichtsausdrücke restauriert und Szenerien möglichst realistisch koloriert. Shiryaev betont, dass es sich dabei nicht um eine historisch akkurate Restaurierung handelt. Dennoch bewirken genau diese Anpassungen eine bislang ungekannte Nähe zu diesen über 100 Jahre alten Sequenzen.
Tradition und Moderne

Man sieht ein Japan, dass gerade ein halbes Jahrhundert der unaufhaltsamen Modernisierung hinter sich gebracht und dennoch viele Elemente aus der Edo-Zeit (1603 bis 1868) erhalten hat. Menschen in Kimono, Hakama und in westlichen Anzügen stehen stellvertretend für diese Gesellschaft im Umbruch. Es sind eindrückliche Szenerien, die verschiedene Gegensätze von damals aufzeigen – modern und traditionell, arm und reich.
Für die aufgenommenen Menschen ist derweil die grösste Sehenswürdigkeit die Kamera selber. Mit grosser Neugier blicken sie auf dieses neue Wunder der Technik. Es ist ein Tokio, das heute so nicht mehr existiert. Eine Ausnahme ist der Tempel Sensōji in Asakusa, den selbst der Zuschauer des 21. Jahrhunderts noch gut erkennt.
Der Vergleich
Wie gelungen Shiryaevs Arbeit ist, zeigt der Vergleich mit denselben Aufnahmen in Schwarz-Weiss, die 2016 auf Youtube mit hinzugefügten Tonaufnahmen veröffentlicht wurden.
Der originale Film
Der ursprüngliche Titel des Stummfilms lautete «Japan of Today». Es handelt sich um eine amerikanische Produktion aus dem Jahr 1915. Die Aufnahmen sind im Besitz des Filmmuseums EYE.
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