Tokiwaso: Die WG der Manga-Götter
Es war ein unscheinbares einfaches zweistöckiges Holzhaus im Tokioter Bezirk Toshima, das 1952 errichtet wurde. Kleine Einzelzimmer, eine Gemeinschaftsküche mit kaltem Wasser, eine Toilette und einen Gemeinschaftsraum gab es. Um sich zu waschen, mussten die Bewohner ins nahegelegene öffentliche Bad gehen. Tokiwasō1 hiess dieser spartanisch eingerichtete Ort, der zur Brutstätte der heutigen japanischen Manga- und Anime-Kultur wurde.
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Osamu Tezuka (Astro Boy, Black Jack), das Duo Fujiko Fujio (Doraemon), Shotaro Ishinomori (Kamen Rider) oder Fujio Akatasuka (Tensai Bakabon) lebten in den Anfangsjahren ihrer Karriere in diesem Wohnatelier. Sie alle wurden zu Legenden, die die Manga-Kultur nachhaltig geprägt haben.
Zeitweise hat bis zu 8 Manga-Künstler2 im Tokiwasō ihr Zuhause. Es war der kreative Freiraum der grossen Manga-Künstler der Nachkriegsära. Fast drei Jahrzehnte lang blieb es eine WG für angehende Manga-Künstler. 1982 wurde das Gebäude wegen Einsturzgefahr schliesslich abgerissen.
Der Wiederaufbau
Ein Denkmal, eine kleine Statue und der Film Tokiwasō no Seishun von Jun Ichikawa aus dem Jahr 1996 hielten die Erinnerungen an diese Stätte3 wach und so blieb der unscheinbare Wohnort über die Jahre ein Anziehungspunkt für die Manga-Fans. 2016 kündigte Toshimas Bürgermeister Yukio Takano schliesslich an, das Tokiwasō wiederaufzubauen und daraus ein Manga-Museum zu machen (Asienspiegel berichtete).
Er hat Wort gehalten. Das legendäre Haus wurde beim lokalen Park, unweit der ursprünglichen Stelle, originalgetreu wiederaufgebaut4. Möglich wurde dies dank grosszügiger Spenden von Privaten und Unternehmen (Asienspiegel berichtete). Es ist die Wiedergeburt eines Stücks Manga-Geschichte, das am 7. Juli 2020 als Tokiwasō Manga Museum eröffnet wird.
Gleich mehrere Zimmer, die Toilette und die Gemeinschaftsküche im zweiten Stock hat man dabei liebevoll in den Zustand der damaligen Zeit versetzt5, so dass der Besucher die Atmosphäre und das Lebensgefühl der Manga-WG nacherleben darf6. Ein weiteres Herzstück des Tokiwasō Manga Museum sind die Ausstellungsräumlichkeiten. Hinzu kommt eine Lounge mit den Werken der berühmten Manga-Künstler. Tokio hat somit einen legendären Ort zurückerhalten, den man für immer verloren glaubte. Für die Besucher ist es eine Reise zu den Wurzeln der heutigen Manga-Kultur.
Der Einfluss bis heute
Das Tokiwasō war übrigens mehr als nur das kreative Zuhause einer ganzen Manga-Generation. In diesem Haus entwickelten sich moderne Arbeitsprozesse, die bis heute Bestand haben. So begannen die Manga-Künstler, allen voran Osamu Tezuka, Assistenten einzustellen, die bei der Produktion mithalfen, um die Fristen der Verlage einhalten zu können. Dies gab gerade jungen Künstlern, die Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln, bevor sie sich an eigene Projekte wagten.
Fotos der legendären Bewohner und des Nachbaus
Der Standort des neuen Tokiwasō Manga Museum
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