Das Ende einer Ära: Shinzo Abe tritt zurück
Japans Regierungschef Shinzo Abe tritt zurück. Diesen Entscheid hat er heute offiziell verkündet. Damit endet eine politische Ära, die 2012 begann. Seither war er seit über 2800 aufeinanderfolgenden Tagen Regierungschef und somit länger als Eisaku Sato, der zwischen 1964 und 1972 ganze 2798 Tage am Stück amtete. Nimmt man noch die erste kurze Amtszeit von 2006 bis 2007 hinzu, dann war Shinzo Abe schon mehr als 3000 Tage Premierminister. Das hat vor ihm noch kein anderer Politiker in Japan geschafft.
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Es sind gesundheitliche Gründe, die Shinzo Abe zum Rücktritt zwingen. Er leidet seit vielen Jahren an einer chronischen Darmentzündung, die er dank Medikamenten und einem ausgeglicheneren Lebensstil im Griff hatte. Zuletzt jedoch hinterliess er einen müden Eindruck. Wegen der Corona-Krise hatte er während 148 Tagen keinen einzigen freien Arbeitstag. Bereits im Juli gab es Gerüchte über die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Schliesslich war er am 17. August für eine fast 8-stündige Untersuchung im Krankenhaus. Eine Woche darauf folgte ein erneuter Arztbesuch. Heute kam die Bestätigung, dass die Krankheit wieder aufgeflammt ist. Damit endet seine zweite Regierungszeit wie seine erste. Schon 2007 musste er wegen seiner chronischen Krankheit abrupt aufgeben. Shinzo Abe entschuldigte sich, dass er sein Amt vorzeitig und mitten in dieser Krise abgibt.
Die Ära Shinzo Abe
Shinzo Abe hat ein ganzes Jahrzehnt geprägt. Er brachte Stabilität in die launische japanische Politik zurück, gab dem Land ein Gesicht, sein Name war international ein Begriff. Mit ihm gewann seine Regierungspartei drei Unterhauswahlen und drei Oberhauswahlen. Zuvor kamen und gingen die Regierungschefs im Jahresrhythmus, das Land war lange ohne Kurs. Mit einer Politik des lockeren Geldes, die als Abenomics bekannt wurde, zog er den Inselstaat aus der wirtschaftlichen Lethargie. Die Wirtschaftsleistung wuchs wieder. Unter seiner Ägide wurde der Einreisetourismus zu einer boomenden Branche. Zudem öffnete er in kleinen Schritten den Arbeitsmarkt für ausländische Arbeiter. In Japan war in den vergangenen Jahren wieder eine Zuversicht zu spüren, die lange verloren schien.
Es gelang ihm jedoch nicht, die strukturellen Probleme des Landes zu lösen. Japan leidet nach wie vor unter einer überalternden Gesellschaft, einer hohen Verschuldung, einem ausgetrockneten Arbeitsmarkt und einer rasanten Landflucht. Die Gleichstellung der Frau in der Wirtschaft bleibt ein unerfülltes Versprechen. Die Mehrwertsteuererhöhung von 2019 lastete zuletzt schwer auf der Wirtschaft. Die Corona-Krise hat Abenomics schliesslich jäh gestoppt.
Zuletzt unentschlossen und zögerlich
Innenpolitisch sorgte der nationalkonservative Politiker für einen umstrittenen Kurswechsel. Das Gesetz zum Schutz von Staatsgeheimnissen war ein Schlag für die Pressefreiheit (Asienspiegel berichtete). Mit dem sogenannten Sicherheitsgesetz wurde der Verfassungsartikel 9, in dem Japan auf Kriegsführung zur Lösung internationaler Konflikte verzichtet, grosszügig uminterpretiert, so dass Japan heute das Recht auf kollektive Selbstverteidigung anwenden darf und Alliierte damit militärisch unterstützen kann (Asienspiegel berichtete). Sein Wunschprojekt, die unveränderte Nachkriegsverfassung und somit den Artikel 9 zu ändern, gelang ihm jedoch nicht. Ausserdem kämpfte er zunehmend mit dem Vorwurf, Günstlingswirtschaft zu betreiben (Asienspiegel berichtete).
Geübt zeigte sich Abe in der Allianzpflege mit US-Präsident Donald Trump. Die USA bleibt der lebenswichtige militärische Partner für den Inselstaat. Derweil bleiben die politischen Konflikte um Grenzinseln und historische Aufarbeitung mit Südkorea und China ungelöst. Zu verhärtet sind die Fronten in diesen Fragen. Einzig die intensiven wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen diesen Nachbarn sind Garanten dafür, dass die Lage nicht weiter eskaliert.
Kein krönender Abschluss
In der Corona-Krisenpolitik zeigte er sich zuletzt unentschlossen und zögerlich. Seine Zustimmungswerte brachen ein. Eigentlich hätte das Jahr 2020 der krönende Abschluss werden sollen – mit den Olympischen Spielen als feierlichen Höhepunkt. Nun ist alles anders gekommen. Die LDP wird schnell einen Nachfolger finden müssen. Der neue Premierminister könnte laut aktuellen Gerüchten Fumio Kishida, Shigeru Ishiba oder Yoshihide Suga heissen.
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