Mit «Workation» den Tourismus retten
Während Jahren ging die Strategie der japanischen Regierung perfekt auf. Der Einreisetourismus wurde zu einem gut geölten Wirtschaftsmotor. 2019 besuchten über 30 Millionen Menschen aus dem Ausland den Inselstaat. Im Olympiajahr hoffte man auf 40 Millionen. Dereinst sollten es 60 Millionen werden. Mit dem internationalen Tourismus wollte die Regierung vor allem die ländlichen Regionen, die besonders unter der rasanten Überalterung der Gesellschaft leiden, zu neuer Blüte verhelfen. Es wurde in Hotels und Ryokan investiert, die in die Jahre gekommene touristische Infrastruktur modernisiert. Die Pandemie hat diesen Boom jäh beendet.
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Momentan ist nicht einmal die so wichtige inländische Kundschaft in Reiselaune. Denn der Brauch, dass ein ganzes Land während fixierter Feiertagsperioden in den Urlaub fährt, ist mit der Corona-Krise nicht kompatibel (Asienspiegel berichtete). Selbst die grosszügig vom Staat finanzierten Reiserabatte helfen zurzeit wenig (Asienspiegel berichtete). Zu stark steigen die Covid-19-Zahlen seit Wochen an (Asienspiegel berichtete). Als Konsequenz bleiben in der aktuellen Obon-Feiertagszeit viele zu Hause. Für die Hotels sind dies schlechte Nachrichten. Bis Anfang August haben bereits 80 Hotelunternehmen Konkurs angemeldet. Fast die Hälfte nennt die Corona-Krise als Hauptgrund für die Zahlungsunfähigkeit. Man muss davon ausgehen, dass in den kommenden Monaten noch mehr schliessen werden.
Workation und Telework
Die Branche versucht sich nun mit einem neuen Konzept zu retten, das Chefkabinettsekretär Yoshihide Suga «Workation» nennt. Das international gängige Schlagwort ist ein Zusammenzug der Wörter Work und Vacation. Die hart arbeitenden Salaryman sollen Arbeit mit Urlaub kombinieren. Mit der Familie verbringt man einige Nächte in einem Ryokan auf dem Land oder in einem Hotel in einer Stadt und erledigt zugleich seine Arbeit – ganz nach dem Vorbild der digitalen Nomaden. Damit sollen die starren Feiertagsperioden aufgeweicht und die Angestellten motiviert werden, während normaler Werktage für ein paar Tage aufs Land zu fahren.
Die Hotelbranche wagt den Versuch. Es bleibt ihr nichts anderes übrig. Das luxuriöse Hotel New Otani in Tokio bietet aktuell einen «Super Workation»-Plan für 30 Tage an. Die grossen Reisebüros verzichten genauso wenig auf Workation. Es ist bereits der zweite Versuch einer Diversifizierung. Seit Beginn der Krise bieten viele städtische Hotels ihre Zimmer für Homeoffice an. «Telework»-Plan heisst dieses Konzept, mit dem sich die Branche über Wasser zu halten versucht (Asienspiegel berichtete).
Vorbild JAL
Nur stellt sich die Frage, ob die japanische Konzernwelt, die sich selbst während des Notstandes mit Homeoffice schwertat, überhaupt willens und fähig ist, den Schritt zu Workation zu vollziehen? In einer landesweiten Umfrage des Trendforschers NEXER glaubten 60 Prozent nicht an die Verbreitung von Workation. Verstärkt wird diese Annahme durch die Tatsache, dass Mitte Juli in Tokio gerade noch 31 Prozent von 14’256 befragten Firmen Homeoffice ihren Angestellten anboten. Das wirtschaftliche instabile Umfeld, die unklare Kostenverteilung bei Workation und die nicht vorhersehbare Entwicklung der Corona-Krise sind weitere Hürden. Es gibt aber auch ein ermutigendes Beispiel. Die Airline JAL fördert seit 2017 dieses Arbeitskonzept. Im ersten Jahr nutzten gerade mal 11 Angestellte diese Möglichkeit, 2018 waren es bereits 174.
Womöglich würde es der Hotelbranche jedoch mehr nützen, wenn die Regierung und die Unternehmen den Bezug des bezahlten Urlaubs verstärkt fördern würden. Denn bis heute verzichtet ein Grossteil der Arbeitnehmer auf die gesetzlich garantierten Ferientage (Asienspiegel berichtete).
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