Die japanischen Corona-Wörter des Jahres
Die japanische Sprache mag es abwechslungsreich. Neue Wörter und Ausdrücke finden blitzschnell Eingang in die Gesellschaft, so dass man ständig in Sorge leben muss, etwas zu verpassen. Zu dieser Vielfalt trägt die Offenheit des Japanischen gegenüber anderen Sprachen bei. Insbesondere englische Wörter stehen hoch im Kurs. Sie werden im Nu übernommen, angepasst, neuinterpretiert und nicht selten mit anderen Wörtern kombiniert. So kommt es gerne vor, dass bei dieser kreativen Neuverwendung von der ursprünglichen Bedeutung nicht mehr viel übrig bleibt. Von Wasei eigo ist dann die Rede, einem «Japanese made English».
Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs.
Corona-Wörter en masse
Der Verlag Jiyūkokuminsha ist zu einem Chronisten der modernen japanischen Alltagssprache geworden. Seit 1984 kürt er jeweils im Dezember das Trendwort des Jahres (Asienspiegel berichtete). Anfang November hat er hierzu die 30 nominierten Wörter bekanntgegeben, wovon die Hälfte in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie steht.
Nicht wenige haben einen englischsprachigen Ursprung. Nominierte Begriffe wie Kurasutā («Cluster»), Essensharuwākā («Essential Worker»), Sōsharu Disutansu («Social Distance»), Ūbā-ītsu («Uber Eats»), Nyūnōmaru («New normal») oder Terewāku («Telework») sind selbst für Personen verständlich, die kein Japanisch beherrschen. Im Folgenden eine weitere Auswahl von «Corona-Wörtern», die es in die Top-30 geschafft haben und zugleich einen Blick auf das ablaufende Jahr erlauben.
-
ABENOMASK (アベノマスク) – Als zu Beginn der Pandemie in Japan ein Maskenmangel herrschte, verkündete die Regierung unter dem damaligen Premierminister Shinzo Abe, jedem Haushalt im Land zwei waschbare Stoffmasken zukommen zu lassen. Die gut gemeinte Aktion wurde zum teuren PR-Desaster. Die Masken trafen zu spät ein, für viele waren sie zu klein und schlichtweg eine Verschwendung von öffentlichen Geldern. Von Abenomask – eine Anspielung an den Begriff Abenomics – war schnell die Rede (Asienspiegel berichtete).
-
SAN-MITSU (3密) – Die «San-Mitsu»-Regel hat sich in Japan zur Richtschnur für sicheres Verhalten im Alltag entwickelt. Gemeint ist damit, Räumlichkeiten mit schlechter Belüftung (jp. mippei), Massenansammlungen (misshū) und Gespräche mit anderen Menschen in naher Distanz (missetsu) möglichst zu umgehen. Weil die dazugehörigen Adjektive auf Japanisch alle das Schriftzeichen 密 (ausgesprochen mitsu für «dicht, eng») beinhalten, verwendet man in Situationen mit höherem Infektionsrisiko den Ausdruck «Mitsu desu» («es ist eng»). Auf Englisch spricht man von der «3-C-Regel» (Asienspiegel berichtete).
-
AMABIE (アマビエ) – Es hat lange Haaren, drei Beine, einen Schnabel und nennt sich Amabie. Es ist ein yōkai, ein japanisches Fabelwesen. Die Geschichte seiner Existenz reicht bis in die Edo-Zeit (1603 bis 1848) zurück. Eine Legende besagt, dass ein Dorfvorsteher diesem Geschöpf 1846 an der Küste der Provinz Higo, dem heutigen Kumamoto, begegnete. Es versprach, dass sein gezeichnetes Abbild Seuchen abwenden und Erkrankte heilen würde. Durch die Covid-19-Pandemie wurde diese Geschichte wieder zum Leben erweckt (Asienspiegel berichtete).
-
OUCHI-JIKAN / SUTEI HŌMU (おうち時間/ステイホーム) – Die Covid-19-Krise und der damals landesweit geltende Notstand warfen die Ferienpläne für die Golden Week über den Haufen. Es galt die behördliche Bitte, zu Hause zu bleiben und die direkten Kontakte um 80 Prozent zu reduzieren. Tokios Gouverneurin Yuriko Koike sprach von einer «Stay Home»-Woche (jp. suteihōmu-shūkan). Man solle die Zeit zu Hause verbringen (jp. ouchi-jikan). Die Forderung zeigte Wirkung (Asienspiegel berichtete).
-
WĀKĒSHON (ワーケーション) – So sprechen die Japaner den Begriff «Workation» aus. Es ist ein Zusammenzug der Wörter Work und Vacation. Die Idee dahinter ist, dass die Angestellten die Arbeit mit Urlaub kombinieren. Mit der Familie verbringt man einige Nächte in einem Ryokan auf dem Land oder in einem Hotel in einer Stadt und erledigt zugleich seine Arbeit – ganz nach dem Vorbild der digitalen Nomaden. Damit sollen die starren Feiertagsperioden (Asienspiegel berichtete) aufgeweicht und die Angestellten motiviert werden, während normaler Werktage für ein paar Tage aufs Land zu fahren. Diese neue Lebensform soll zur Rettung der leidenden Hotelbranche beitragen (Asienspiegel berichtete).
-
JISHUKU-KEISATSU (自粛警察) – In Japan fühlten sich durch den Notstand viele Bürger dazu ermächtigt, den Mitbürgern auf die Finger zu schauen. Sie forderten eigenhändig Restaurants und Geschäfte auf, zu schliessen und belästigten Autofahrer, die ein Nummernschild aus einer anderen Präfektur hatten. Von Jishuku-Keisatsu, der «Selbstbeschränkungs-Polizei», ist in diesem Zusammenhang die Rede (Asienspiegel berichtete). So wird in Japan seit der Covid-19-Krise immer wieder von Jishuku, der «Selbstbeschränkung» gesprochen. Das hat damit zu tun, dass die Covid-19-Massnahmen rechtlich gesehen lediglich auf Forderungen ohne die Möglichkeit auf Strafandrohung beruhen.
- GO TO KYANPĒN (GoToキャンペーン) – Die Corona-Krise und die damit einhergehende Grenzschliessung hat die boomenden Einreise-Tourismus zum Erliegen gebracht. Auch der Inlandstourismus brach während Monaten ein. Die Regierung lancierte daraufhin die «Go To Kampagne», mit der sie Übernachtungen in Hotels, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Restaurantbesuche grosszügig subventionierte. Diese staatlichen Vergünstigungen haben Wirkung gezeigt. Im Spätsommer und zu Herbstbeginn stieg die Zahl der Inlandsreisenden wieder an. Es ist eine lebensnotwendige Unterstützung für alle Branchen, die von der Reisetätigkeit der Menschen direkt oder indirekt abhängen (Asienspiegel berichtete).
Ohne Abonnenten kein Asienspiegel
Februar 2024 – Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs, der über 5000 kostenlos zugängliche Artikel bietet.
VORTEILE JAHRES-ABO
Jahres-Abonnenten stehe ich für Fragen zur Verfügung. Klicken Sie hier, um mehr darüber zu erfahren.
- Zahlungsmittel: Master, Visa, PayPal, Apple Pay, Google Pay
- Für TWINT bitte via Asienspiegel Shop bezahlen
- Für Banküberweisung hier klicken