Das Land der einsamen Bahnhöfe
Japan zählt 9465 Bahnhöfe. Davon sind 4564 sogenannte Mujineki. Damit werden die Stationen bezeichnet, die ganz ohne Personal betrieben werden. Ihre Zahl steigt von Jahr zu Jahr an. In den vergangenen 18 Jahren um 444. Von dieser Entwicklung am stärksten betroffen sind die ländlichen Regionen, wo jede zweite Station nicht mehr permanent beaufsichtigt wird. In Kochi haben sogar 93,5 Prozent und in Tokushima 81,6 Prozent aller Bahnhöfe keine Angestellten vor Ort. Beide Präfekturen befinden sich auf der kleinsten Hauptinsel Shikoku. In den urbanen Grossräumen ist die Lage etwas entspannter. In Tokio ist derzeit jeder zehnter Bahnhof ein Mujineki. Aber selbst in der geschäftigen Hauptstadt werden immer mehr Schalter während Randzeiten geschlossen.
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Eigentlich setzt man in Japan viel wert auf eine persönliche Bedienung im Bahnhof. Stellvertretend dafür steht die Bahnangestellte Miyako des ländlichen Bahnhofs Hokkeguchi, die vor einigen Jahren zu einer Internetberühmtheit wurde. Stets begrüsst sie mit einem Lächeln die ankommenden Passagiere und verabschiedet den weiterfahrenden Zug mit einer eleganten Winkbewegung (Asienspiegel berichtete). Für die täglichen Benutzer dieses Bahnhofs ist sie eine wichtige Ansprechperson.
Für diese wertvolle Dienstleistung fehlt jedoch zunehmend der Nachwuchs. Der rasante Bevölkerungsrückgang führt zu einer Abnahme der Passagierzahl und zugleich zu einem Personalmangel. Viele Bahngesellschaften auf dem Land schreiben rote Zahlen. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung beschleunigt und so nimmt die Zahl der verwaisten Bahnhöfe unaufhaltsam zu.
Die Stilllegung
Eine Station ohne Personal ist nicht unproblematisch. Passagiere mit körperlichen Einschränkungen sind auf sich selber gestellt. Der Unterhalt der Bahnhöfe leidet, das Risiko von Unfällen steigt. Zudem sind Linien mit vielen unbemannten Stationen oft derart unrentabel, dass stets die Stilllegung droht.
Dieses Schicksal widerfuhr beispielsweise 2018 der Sankō-Linie, die zwischen den Präfekturen Shimane und Hiroshima verkehrte und einen spektakulären Himmelsbahnhof besass. Es war das erste Mal überhaupt, dass eine über 100 Kilometer lange Bahnlinie auf der Hauptinsel Honshu gleich komplett aufgegeben wurde (Asienspiegel berichtete). Auch Bahnbetreiber JR Hokkaido musste schon mehr als einmal zu dieser Massnahmen greifen (Asienspiegel berichtete). Die Stilllegung vieler ländlicher Bahnlinien und damit die endgültige Schliessung mancher Mujineki wird in den kommenden Jahren unausweichlich.
Der Sehnsuchtsort
Es ist eine schmerzhafte Entwicklung für das Bahnland Japan. Immerhin ist das Schienennetz, das in alle Ecken des Landes reicht, der Stolz des Inselstaates und seine Existenz eine Selbstverständlichkeit für viele Generationen. Der günstige Bahnpass Seishun-18-Kippu und die dazugehörigen legendären Werbeplakate haben die ländlichen Bahnhöfe und Lokalzüge zu Sehnsuchtsorten gemacht (Asienspiegel berichtete). Einige davon haben sich zu veritablen Sehenswürdigkeiten entwickelt, wie der kleine, unbemannte Bahnhof Shimonada in Shikoku (Asienspiegel berichtete) oder der Bahnhof Kitahama in Hokkaido (Asienspiegel berichtete). Mit jedem geschlossenen Mujineki geht somit ein Stück japanischer Bahnkultur verloren.
Die Geschichte des Bahnhofs Kitahama
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