Bye bye, Tokio
Tokio ist ein Magnet für die arbeitende Bevölkerung. Das dominante politische und wirtschaftliche Zentrum des Landes lockt ungebrochen Menschen aus dem ganzen Land an. Die japanische Hauptstadt verzeichnet einen Zufluss an 80’000 Menschen pro Jahr. Zusammen mit den Nachbarpräfekturen Kanagawa, Saitama und Chiba sind es rund 145’000 Zuzüge. Diese Sogwirkung hat Folgen für den Rest des Landes. In 39 von 47 Präfekturen schrumpft die Bevölkerungszahl kontinuierlich. Die rasante Überalterung der Gesellschaft verstärkt diesen Trend. Ausnahmen sind Osaka, Fukuoka oder Okinawa, die ebenfalls eine gewisse Anziehungskraft besitzen.
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Damit wird zugleich ein Teufelskreis in Gang gesetzt. Denn Tokio ist nicht nur attraktiv, sondern auch teuer. Viele junge Menschen schlagen sich mehr schlecht als recht durch. Eine Heirat oder Familiengründung können sich nicht alle leisten. Das führt dazu, dass Tokio die tiefste Geburtenrate des Landes hat. Nebenbei ist die totale Konzentration auf Tokio im Land der Naturkatastrophen ein gefährliches Klumpenrisiko.
Mehr Menschen verlassen Tokio
Ausgerechnet die Covid-19-Pandemie scheint diesen Trend der Überkonzentration zu brechen. Die Lebendigkeit und Dynamik der Hauptstadt hat durch das Coronavirus an Attraktivität eingebüsst. Seit April – als die Krise richtig begann – kehren immer mehr Menschen Tokio den Rücken. Zwischen April und September 2020 (hier findet man alle Statistiken der letzten Jahre) sind 194’395 Menschen zugezogen und 199’937 aus der Hauptstadt weggezogen. Das ist ein Minus von 5542. Zum gleichen Zeitraum im vergangenen Jahr verzeichnete Tokio noch ein Plus von 28’940.
Fast die Hälfte ist nicht allzu weit weggezogen, nämlich in die Nachbarpräfekturen Saitama, Chiba und Kanagawa. In der monatlichen Bevölkerungsstatistik des Innenministeriums zeigt sich dennoch ein sichtbar ausgewogeneres Bild. Regionen wie Nagano, Yamanashi, Oita, Miyagi, Kochi, Ibaraki oder Tochigi verzeichneten im September 2020 auf einmal einen kleinen Zuwachs an Einwohnern.
Eine Trendwende?
Für die ländlichen Gegenden sind dies gute Nachrichten. Denn diese sind dringend auf Zuzüge angewiesen, um die Lokalwirtschaft wiederzubeleben. Zweifellos wird Tokio das unbestrittene Zentrum bleiben. Selbst in diesem Jahr wird die Hauptstadt mit einem Zuwachs abschliessen. Denn allein im März 2020 – kurz vor Beginn des neuen Geschäfts- und Schuljahres – verzeichnete Tokio einen Nettozufluss von 40’199 Menschen. Somit wird man frühestens im März 2021 – wenn der nächste grosse Umzugstermin ansteht – sagen können, ob die aktuelle Entwicklung eine Trendwende darstellt. Die Regierung würde diese Entwicklung begrüssen. 2014 setzte sie sich zum Ziel, den Nettozufluss aus Tokio bis 2020 auf Null zu reduzieren (Asienspiegel berichtete). Ohne die Pandemie hätte sie dieses Ziel verfehlt. Nun aber könnte diese Krise für das ländliche Japan zu einer Chance werden.
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