Schweigend essen: Eine neue Restaurant-Benimmregel
In Japan mussten die Restaurants seit Beginn der Corona-Krise an keinem einzigen Tag schliessen. Einzig in den Notstandsregionen gilt die rechtlich nicht verbindliche Forderung, die Öffnungszeiten abends zu kürzen. Trotz allem leidet die Gastronomie. 2020 war ein historisch schlechtes Jahr. Die Umsätze der Branche brachen um 15,1 Prozent ein, wobei die Izakaya-Kneipen am stärksten betroffen waren. 49,5 Prozent beträgt dort der Rückgang. Gemäss Teikoku Databank mussten im vergangenen Jahr 189 Izakayas Konkurs anmelden. Genauso schlecht ergeht es den Gaststätten, die ausschliesslich abends ihr Geld verdienen.
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Für die Restaurants ist die Lage zum Verzweifeln. Trotz Einführung zahlreicher Schutzmassnahmen stehen sie ständig in der Kritik. Immer mehr Restaurantbesitzer reagieren nun. Sie propagieren eine neue Verhaltenskultur, um die Branche zu retten. Mokushoku, «schweigend essen», ist das Wort der Stunde. Es ist eine unmissverständliche Aufforderung an die Kunden zur Kooperation. Der Gast soll sich auf das Wesentliche konzentrieren und somit aktiv zu einer sicheren Umgebung beitragen. So ist hinlänglich bekannt, dass laute und lange Konversationen in geschlossenen Räumlichkeiten das Risiko einer Infektion erhöhen (Asienspiegel berichtete).
Mokushoku wird zum Trend
Es war ein Curry-Restaurant in Fukuoka, das auf diese Idee kam und damit in den sozialen Medien auf viel Wohlwollen stiess. Der Twitter-Beitrag des Besitzers erhielt über 80’000 Likes. Das dazugehörige Plakat mit dem Wort Mokushoku hat er gleich kostenlos zur Verfügung gestellt. Daraus entstand ein regelrechter Trend. Die Aufforderung ist nun immer häufiger in Restaurants zu sehen (siehe Tweets unten). Die Stadt Kyoto bietet das Plakat auf ihrer offiziellen Website zum Download an.
Einige Restaurants gehen sogar einen Schritt weiter. Tanshoku, in möglichst kurzer Zeit essen, ist eine weitere Bitte. Andere haben begonnen, sich ganz auf Einzelgäste auszurichten. Denn alleine fällt das Schweigen bekanntlich leichter. Mit diesen Massnahmen hoffen die Restaurants, die nötige Sicherheit zu schaffen und das Vertrauen der Gäste, die aus Sorge vor einer Infektion keine Restaurants mehr aufsuchen, zurückzugewinnen.
Die Kultur alleine zu geniessen
Die Kultur, alleine auswärts zu essen, Karaoke zu singen oder ins Kino zu gehen, ist in Japan übrigens nichts Ungewöhnliches. Einige Restaurants haben sich schon lange auf dieses Bedürfnis spezialisiert (Asienspiegel berichtete). Das wohl berühmteste Beispiel ist die Ramen-Restaurantkette Ichiran, die seit jeher einzelne Sitzplätze mit Trennwänden zur Verfügung stellt.
Nur schon in demographischer Hinsicht ist die Ausrichtung auf Einzelkunden sinnvoll. Immerhin lebt heute in jedem dritten Haushalt nur eine Person (Asienspiegel berichtete). Die Kultur des Mokushoku hat in Japan alle Voraussetzungen, um sich zu etablieren.
Mokushoku in Japan
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