Der Ehe für alle einen Schritt näher
Japan bleibt das einzige G-7-Land, das die gleichgeschlechtliche Partnerschaft rechtlich nicht anerkennt. Das könnte sich jedoch ändern. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wurde am 17. März 2021 in Hokkaido getätigt. Das Landesgericht in Sapporo ist zum Urteil gelangt, dass die Weigerung der Behörden, die gleichgeschlechtliche Ehe zu erlauben, verfassungswidrig ist. Die Richter stützen sich dabei auf das Gleichbehandlungsprinzip, das in Artikel 14 allen zusteht. Es sei diskriminierend, dass kein Gesetz für eine gleichgeschlechtliche Ehe existiere, so das Gericht.
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Bislang argumentierte die Regierung, dass die Ehe gemäss Artikel 24 als ein Einverständnis «beider Geschlechter» und ein Akt zwischen «Mann und Frau» beschrieben wird und damit eine Eintragung einer gleichgeschlechtlichen Ehe nicht rechtens sei. Die Kläger betonten hingegen, dass die 1947 in Kraft getretene Verfassung mit keinem Wort eine gleichgeschlechtliche Ehe verbiete. Bei der Formulierung des Artikels 24 sei es darum gegangen, das gegenseitige Einverständnis bei einer Eheschliessung rechtlich zu garantieren, um die Frauen vor einer unerwünschten arrangierten Heirat zu schützen.
Mit dem Urteil von Sapporo wurde den Klägern nun im Grundsatz recht gegeben. Die Klage gegen die Untätigkeit der Abgeordneten, ein entsprechendes Gesetz einzuführen, wurde jedoch abgewiesen, wie auch die Forderung nach einer finanziellen Entschädigung. Für das Parlament sei die Verfassungswidrigkeit nicht einfach zu erkennen gewesen, so das Gericht.
Ein historisches Urteil
Das Urteil wird in Japan als historisch angesehen. Zum ersten Mal überhaupt wird von einem Gericht bestätigt, dass homosexuelle Paare rechtlich diskriminiert werden. Die Hoffnung ist gross, dass das Urteil einen Einfluss auf fast identische Klagen von gleichgeschlechtlichen Paaren in anderen Städten haben wird.
Es ist anzunehmen, dass sich irgendwann der Oberste Gerichtshof damit befassen wird. Erst danach wird das Parlament wohl ein Gesetz ausarbeiten, dass die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt. Somit gibt es noch einige Hürden zu überwinden, bis die Ehe für alle zu einer Realität auf Gesetzesebene wird.
Shibuya machte den Anfang
Das Urteil von Sapporo ist das Resultat einer Entwicklung, die 2015 ihren Anfang nahm. Damals brach der Tokioter Bezirk Shibuya mit einem Tabu und ermöglichte die Ausstellung von Partnerschaftszertifikaten für gleichgeschlechtliche Paare (Asienspiegel berichtete). Diese Bescheinigungen haben zwar keine rechtlich bindende Wirkung, setzen jedoch ein klares Zeichen für die Unterstützung homosexueller Paare in alltäglichen Situationen, wie bei der gemeinsamen Wohnungssuche oder beim Besuch des Partners im Krankenhaus. Ausserdem können Behörden Leute und Unternehmen bestrafen, denen man ein diskriminierendes Verhalten gegenüber sexuellen Minderheiten nachweisen kann.
Der Schritt von Shibuya war ein essenzieller Beitrag zur Enttabuisierung der Homosexualität in Japan. In der Folge zogen immer mehr Gemeinden nach (Asienspiegel berichtete). Heute stellen 75 Gemeinden und drei Präfekturen solche Zertifikate aus. 2017 erweiterte Sapporo die Ausstellung des Partnerschaftszertifikats auf Transgender-Paare (Asienspiegel berichtete).
Die Folgen für die Wirtschaft
Auch die Wirtschaft hat reagiert. Einige japanische Konzerne gewähren inzwischen Angestellten, die in einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, dieselben Vorzüge, die verheirateten Mitarbeitern zustehen (Asienspiegel berichtete). Letztendlich könnte der wirtschaftliche Druck die Politik auf nationaler Ebene zum schnelleren Handeln bewegen. In Japan realisiert man zunehmend, dass eine fehlende Rechtsbasis für die Ehe für alle auch ein globaler Wettbewerbsnachteil ist.
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