Ein Hochsommer in Kyoto

Die Nippon Connection in Frankfurt am Mai ist nicht nur das grösste japanische Filmfestival im deutschsprachigen Raum, sie bezeichnet sich sogar als das weltgrösste Festival für japanisches Kino. 2000 wurde sie gegründet. Seither zieht sie jährlich über 15’000 Besucher an. Aufgrund der Corona-Pandemie findet die Nippon Connection zum zweiten Mal hintereinander als reines Online-Filmfestival statt. 80 aktuelle japanische Lang- und Kurzfilme, darunter fünf Weltpremieren, stehen im Programm. Die Filme können vom 1. bis 6. Juni 2021 auf watch.nipponConnection.com abgerufen werden. Der Vorverkauf startet am heutigen 22. Mai.
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Bei dieser Gelegenheit möchte ich Ihnen einen animierten Kurzfilm ans Herz legen, der bei diesem Staraufgebot an Filmen womöglich nicht sofort ins Auge stechen mag, jedoch absolut sehenswert ist. «O-BON, Geschichten aus Kyoto» ist eine Hommage an einen Hochsommer in Kyoto und den japanischen Alltag. Der 10-minütige Film, eine Schweizer Produktion, ist das Werk von Jénay Vogel, die ich gebeten habe, gleich selbst von der Entstehungsgeschichte dieses liebevoll gestalteten Films zu erzählen.
«O-BON, Geschichten aus Kyoto»
Ein Gastbeitrag von Jénay Vogel – Von 2009 bis 2011 habe ich während meines Gaststudiums der japanischen Malerei in Kyoto gelebt und nebenher als Kassiererin in einem Supermarkt gearbeitet, wodurch ich mit Menschen allen Alters und aller gesellschaftlichen Schichten in Kontakt kam. Die täglichen Impressionen hielt ich in Skizzen und Notizen fest. Vor allem ein Obdachloser ist mir in Erinnerung geblieben, der immer um Punkt 18 Uhr in den Supermarkt kam, um ein zu dem Zeitpunkt reduziertes Obento zu kaufen. Da er stark nach Urin roch, hielten die anderen Kunden immer Abstand von ihm. Ich hatte oft das Bedürfnis, ihm ein Badehausticket zu schenken, was aber nicht nur nach japanischer Sitte unhöflich gewesen wäre. So machte ich die Idee des badenden Obdachlosen zum Dreh- und Angelpunkt meines Filmes und bettete weitere Charaktere, Geschichten und kulturelle Ereignisse mit ein.

Für weitere Authentizität wurde die Tonebene genutzt. So entstanden die Hintergrund- und Stimmaufnahmen nach Fertigstellung des Storyboards während eines weiteren Japan-Aufenthaltes 2017. Alle Sprecher waren Laiensprecher grösstenteils aus Kyoto mit ansässigem Dialekt, die für die Aufnahmen in einen Musikproberaum eingeladen wurden, wo ich mit von der Hochschule geliehenem Equipment die Aufnahmen getätigt habe. Für die Sprecher war dies in gleichem Masse eine Ehre wie eine Herausforderung. Besonders für Herrn Mori, der nicht nur mit seiner Stimme, sondern auch als Figur in und mit seiner Bar in meinem Film eine wichtige Rolle spielt.
Eine Reise in den Alltag von Kyoto

Die Filmgeschichte erzählt von Menschlichkeit, die sich nicht in grossen Aktionen abspielt, sondern die in kleinen Gesten tagtäglich gelebt wird. Charmante Zeichentrickcharaktere, entwickelt nach real existierenden Menschen aus Kyoto und mit wenigen Strichen sorgsam gestaltet, leben ihren Alltag und versuchen sich trotz Geldproblemen und anderen Sorgen nicht unterkriegen zu lassen. Man hilft sich gegenseitig oder versucht es zumindest. Die Beziehung der acht Menschen (und eines Hundes) zueinander gleicht einem verknüpften Reigen, der sich dreht und schliesslich am Tag des Obon-Festes in berührender Art und Weise auflöst. Die Wünsche der Protagonisten erfüllen sich, jedoch anders als von ihnen erhofft.
Die Geschichte ist in einem atmosphärischen, aber auch amüsanten Animationsfilm verpackt. Die Figuren sind kleine «Helden», da sie meist schwierige Lebenssituationen mit einem Lächeln und einer gewissen Leichtigkeit meistern und dabei immer ein freundliches Wort für ihre Mitmenschen haben. Der Film soll die Zuschauer für die 10-Minuten kurz in eine andere Welt hineinziehen, sie inspirieren und erfreuen, um sie dann mit wohligem Gefühl und etwas mehr Lebenslust wieder zu entlassen.







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