Die Worte des Kaisers
Die vierminütige Radioansprache von Kaiser Hirohito am 15. August 1945 war ein historischer Moment in der japanischen Geschichte. Zum ersten Mal überhaupt hörte das Volk die Stimme des Tenno. Die Rede markierte das Ende des Zweiten Weltkriegs.
Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs.
Bis heute wählt der japanische Kaiser seine Worte mit Bedacht. Als Symbol der Nation ist ihm per Verfassung jeglicher politischer Einfluss untersagt. In bewegender Erinnerung bleibt die Trost spendende Rede von Kaiser Akihito wenige Tage nach dem verheerenden Erdbeben und Tsunami vom 11. März 2011. 2016 drückte er seinen Wunsch nach einer Abdankung aus, ohne dieses Wort zu verwenden. Stattdessen sprach er von seiner nachlassenden körperlichen Kraft (Asienspiegel berichtete). In der alljährlichen Rede zum Ende des Zweiten Weltkriegs verwendete er in Bezug auf die Kriegsvergangenheit Japans stets den Ausdruck «tiefe Reue». Auch sein Sohn Naruhito, seit 2019 Kaiser von Japan (Asienspiegel berichtete), tut es ihm als ebenso überzeugter Vertreter der pazifistischen Verfassung gleich.
Die sanfte Anpassung eines Wortes
In Japan hört man genau zu, wenn ein Kaiser spricht – so auch während der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele am Freitag. Es war die Aufgabe von Tenno Naruhito, die Olympischen Spiele von Tokio zu eröffnen. So will es die Olympische Charta, die zugleich auch den zu sprechenden Text vorgibt. «I declare open the Games of Tokyo celebrating the 32nd Olympiad of the modern era» («Ich erkläre die Spiele von Tokio zur Feier der 32. Olympiade der Neuzeit für eröffnet»), wurden Naruhitos Worte offiziell auf Englisch übersetzt. Die originalen japanischen Worte des Kaisers hatten jedoch eine leicht andere Nuance.
So verwendete er für das Wort «celebrating» nicht den entsprechenden japanischen Ausdruck «iwai», so wie es Kaiser Hirohito bei der Eröffnung 1964 tat1, sondern «kinen», das als Andenken im Sinne einer Würdigung eines Ereignisses übersetzt werden kann. Wortwörtlich hiess es also vielmehr: «Ich erkläre die Olympischen Spiele von Tokio in Würdigung der 32. Olympiade für eröffnet.»2
Es handelt sich um einen kleinen Unterschied, der dem Kaiser und seinem Umfeld als wichtig erschien. In einer Corona-Pandemie von «celebrating» zu sprechen, wirkte unangebracht. Bereits Ende Juni liess der Tenno die Öffentlichkeit wissen, dass er sehr besorgt über eine Ausbreitung des Coronavirus während der Austragung der Spiele sei. Und so kam es zu diesem nicht unbedeutenden japanischen Wortwahl, mit der es dem Kaiser gelang, auf die aktuelle schwierige Lage Rücksicht zu nehmen.
Die rechtliche Stellung des Kaisers
Die Olympische Charta gibt übrigens auch vor, dass die Eröffnungsworte vom Staatsoberhaupt des Gastgeberlandes verkündet werden. Dabei muss man wissen, dass Japan rechtlich gesehen gar kein Staatsoberhaupt besitzt. Denn laut der japanischen Verfassung ist der Kaiser lediglich ein Symbol des Staates und der Einheit des Volkes ohne jegliche politische Macht (Asienspiegel berichtete). In der Praxis wird der Kaiser jedoch als Vertreter und somit auch als Staatsoberhaupt des Landes angesehen.
Ohne Abonnenten kein Asienspiegel
Februar 2024 – Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs, der über 5000 kostenlos zugängliche Artikel bietet.
VORTEILE JAHRES-ABO
Jahres-Abonnenten stehe ich für Fragen zur Verfügung. Klicken Sie hier, um mehr darüber zu erfahren.
- Zahlungsmittel: Master, Visa, PayPal, Apple Pay, Google Pay
- Für TWINT bitte via Asienspiegel Shop bezahlen
- Für Banküberweisung hier klicken