Das ewige Warten auf die Einreise
Etwas mehr als 200 Jahre schottete sich Japan in der Edo-Zeit von der Aussenwelt ab. Es handelte sich um ein striktes Ein- und Ausreiseverbot. Eine Ausnahme bildete der kontrollierte Handel mit China und Korea. Derweil wurde die streng bewachte, aufgeschüttete Insel Dejima zur Heimat der Niederländer, die als einzige Westler in Japan Güter verkaufen durften (Asienspiegel berichtete). Das Ende dieser einzigartigen Periode kam, als US-Flottenadmiral Matthew Perry im Jahr 1853 mit seinen «Schwarzen Schiffen» die Öffnung des Landes erzwang. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie erlebt die Sakoku-Mentalität ein Revival.
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Sakoku im 21. Jahrhundert
Der Inselstaat hält die Grenzen für die meisten ausländischen Personengruppen nach wie vor strikt geschlossen. Nur Japanern und Ausländern mit einer bestehenden Aufenthaltsbewilligung wird die Einreise erlaubt. Tausende von Austauschstudenten, ausländische Praktikanten und Expats warten seit Monaten auf die Grenzöffnung. Die Nikkei Shimbun hat nachgezählt. Seit Januar 2020 wurden 578’000 sogenannte Certificates of Eligibility ausgestellt. Dieses Dokument berechtigt den ausländischen Antragsteller zu einem Visum für Japan. 371’000 Besitzer dieses Zertifikats konnten aufgrund des Einreiseverbots, das in diesem Jahr noch einmal verschärft wurde, nicht Gebrauch davon machen. Sie warten bis heute auf die Möglichkeit, in den Inselstaat einzureisen. Eine grosse Mehrheit der Betroffenen sind sogenannte technische Praktikanten, die jeweils für einige Jahre in Japan arbeiten dürfen (Asienspiegel berichtete), und Austauschstudenten. Japan ist sogar die einzige G-7-Nation, die zurzeit keine Studentenvisa ausstellt.
Diese Politik bleibt für die Wirtschaft nicht ohne Folgen. Viele arbeitsintensive Branchen sind aufgrund der überalternden Bevölkerung dringend auf diese Arbeitskräfte angewiesen. Auch die Austauschstudenten, die maximal 28 Stunden pro Woche arbeiten dürfen (Asienspiegel berichtete), fehlen den Minimärkten und Restaurants (Asienspiegel berichtete). Derweil stehen viele kleine Sprachschulen vor dem Konkurs. Hinzu kommt, dass eine ganze Tourismusbranche seit zwei Jahren auf jährlich 30 Millionen ausländische Touristen verzichten muss. Japan verliert mit dieser Abschottungspolitik an Attraktivität, der gute Ruf leidet zunehmend.
Baldige Lockerungen?
Der Druck auf die Politik, weitgehende Lockerungen vorzunehmen, steigt. Die Wirtschaft befürchtet im internationalen Konkurrenzkampf erhebliche Nachteile. Nach Monaten des Stillstands gibt es Grund zur Hoffnung. In Japan hat sich die Corona-Lage stark beruhigt. Die Impfrate ist mit 76 Prozent hoch (Asienspiegel berichtete). Zudem stehen am 31. Oktober 2021 die Unterhauswahlen an. Danach wird die Regierung wieder einen grösseren politischen Handlungsspielraum haben.
Abgesehen davon beginnen asiatische Länder wie auch die USA ihre Grenzen für Geimpfte wieder zu öffnen. Japan wird es sich unter diesen Umständen kaum leisten können, die bisherige Sakoku-Politik in dieser Form weiterzuführen. Die Austauschstudenten und technischen Praktikanten werden im Falle einer Lockerung zweifellos die Ersten sein, die ihr neues Leben in Japan beginnen dürfen.
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