Die Phantom-Brücke von Hokkaido
Seit 2009 schreibe ich diesen Blog. Über 4500 Artikel haben sich so angesammelt. In dieser Serie stelle ich einen überarbeiteten und aktualisierten Beitrag aus diesem Archiv vor. Der folgende Artikel erschien am 19. Februar 2018.
AUS DEM ARCHIV – 1955 entstand in der Bergwelt Hokkaidos, der Nukabira-Staudamm – und mit ihm zusammen einer der grössten künstlichen Seen Japans. Infolgedessen wurde ein Abschnitt der Shihoro-Bahnlinie geflutet. Der umgeleitete Streckenteil führte fortan entlang des Sees. Ein Überbleibsel jener Epoche ist die ehemalige Taushubetsu-Bahnbrücke, die nur sichtbar wird, wenn der Pegel des Stausees genug tief ist. Dadurch hat sie den Übernamen «Die Phantom-Brücke» erhalten.
Besonders schön für Fotografen wird es, wenn sich die 130 Meter lange und 10 Meter hohe Betonbogenbrücke – die 1937 gebaut wurde und deren Form an ein römisches Viadukt erinnert – im See spiegelt. Gewöhnlich sinkt der Wasserstand von Januar bis Juni. Die Szenerie ändert sich dadurch ständig. Ende der 1990er-Jahre erkannten einige Einwohner die Faszination dieses verlassenen Bauwerks. Sie begannen Ausflüge zu organisieren, die im Winter über den gefrorenen See führten und im Sommer durch einen dichten Wald. Die in der Gegend lebenden Bären machen eine geführte Tour zur Brücke zu einer Notwendigkeit.
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Die Besucherzahl hielt sich damals in Grenzen, obwohl die Brücke schon 2001 zu einem wichtigen historischen Erbe Hokkaidos erklärt wurde. Der sanfte Besucher-Boom begann erst mit dem Instagram-Zeitalter. Seither ist die «Phantom-Brücke» zu einem Fixpunkt für Fotografen, Filmemacher und Bahn-Nostalgiker geworden. Es ist zudem eine Sehenswürdigkeit, die es in diesem Zustand wohl nicht mehr allzu lange geben wird. Das Wasser, der Frost und auch ein Erdbeben von 2003 haben dem Beton zugesetzt. Zwei Bogen sind so stark beschädigt, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis sie einstürzen werden. Denn Geld für den Erhalt dieses Bauwerks gibt es bislang nicht.
Eine Geisterstadt und ein verlassener Bahnhof
Die Taushubetsu-Brücke ist übrigens nicht alleine. 1987, als die japanische Staatsbahn landesweit privatisiert wurde, stellte man den Betrieb der Shihoro-Bahnlinie komplett ein. Alleine in der Region Nukabira gibt es noch 14 verlassene Brücken, die Schritt für Schritt von der Natur zurückerobert werden. Am Standort des alten Bahnhofs Nukabira steht heute ein kleines Museum, das die bewegende Geschichte dieser Bahnlinie erzählt.
Dort erfährt man auch, dass die Endstation der Shihoro-Bahnlinie, Tokachi-Mitsumata genannt, einst ein blühendes Zentrum der Forstwirtschaft war, in dem rund 1000 Menschen lebten. 1978 wurde der Bahnhof geschlossen. Fährt man heute dort an Mitsumata vorbei, erinnert nur noch eine grüne Ebene und wenige Häuser daran, dass hier einst viele Menschen lebten. Derweil existiert der alte Bahnsteig des ehemaligen Bahnhofs Horoka, nur eine Station von Tokachi-Mitsumata entfernt, weiterhin. Auch die Bahnschienen befinden sich noch dort. Und so ist die Shihoro-Bahnlinie selbst 30 Jahre nach ihrer Stilllegung noch überall präsent.
Ein kleines Dorf mit einem speziellen Ryokan
Heute fokussiert sich das Leben in dieser grünen Bergwelt rund um den Lake Nukabira auf das Dörfchen Nukabira-Onsen, wo es eine kleine Auswahl an Ryokan, Hostels, Restaurants, Cafés und ein modernes Museum zur Naturwelt dieser Region gibt. Hier starten auch die geführten Touren zur Phantom-Brücke. Im Winter liegt das Skigebiet gleich vor der Tür. Der Boom um die Taushubetsu-Brücke hat dazu geführt, dass das ganze Jahr über auch wieder Touristen vorbeischauen. Exemplarisch für diese «Renaissance» steht das Ryokan Nukabira-Nakamuraya. Hier hat eine neue Generation aus der alten Herberge ein neues verspielt-gemütliches Hotel mit Onsen und einer kreativen Küche gemacht.
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