Der Gyūdon-Index
Der Fleischeintopf (jap. Gyūdon), bei dem gekochte Rindfleischscheiben auf Reis serviert werden, ist in Japan der Inbegriff für billiges Essen. Yoshinoya, Sukiya und Matsuya heissen die drei grossen Restaurantketten, die sich auf diese Speise spezialisiert haben. Gyūdon ist, ähnlich dem Big-Mac-Index, auch ein Gradmesser für den Zustand der japanischen Volkswirtschaft. Die langjährige Stagnation führte dazu, dass der Preis für dieses Eintopfgericht in den Nullerjahren kontinuierlich sank. In den Jahren 2013 und 2014 war schliesslich der Tiefpunkt erreicht. Je nach Laden kostete eine Normalportion damals zwischen 270 und 280 Yen (inkl. Mehrwertsteuer). Yoshinoya, Sukiya und Matsuya wurden zum Symbol der anhaltenden Deflation, die das Land im Würgegriff hielt. Für die Branche war es ein zerstörerischer Konkurrenzkampf.
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Ab 2014 ging es in die andere Richtung. Die lockere Geldpolitik unter Premier Shinzo Abe zeigte Wirkung. Der schwache Yen liess die Kosten für den Import von US-Rindfleisch – eine für alle Gyūdon-Restaurants unverzichtbare Zutat – spürbar ansteigen. Hinzu kam eine allgemein steigende Nachfrage nach Fleisch in den aufstrebenden Wirtschaftsnationen (Asienspiegel berichtete). Yoshinoya war zum ersten Mal nach 24 Jahren gezwungen, den Preis, von 300 auf 380 Yen zu erhöhen. Auch Matsuya und Sukiya zogen in den Folgejahren nach. Bei Sukiya kostete eine Normalportion nicht mehr 291, sondern 350 Yen. Bei Matsuya stieg der Preis auf 320 Yen.
Die Gründe für diese Entwicklung

2021 war das Jahr der nächsten Preiserhöhung. Bei Yoshinoya sind es jetzt stolze 426 Yen. Matsuya ging derweil auf 380 Yen hoch. Und zuletzt hat auch Sukiya eine Preiserhöhung auf 400 Yen vollzogen. Der Grund für diese Entwicklung sind die gesteigerte Nachfrage nach US-Rindfleisch und die weltweit explodierten Frachtkosten. Eine weitere Rolle spielt der akute Personalmangel in der Gastronomie in Japan. Die Zeiten, als die Branche problemlos billige Teilzeitarbeiter für die unregelmässigen Schichten verpflichten konnte, sind seit einigen Jahren vorbei (Asienspiegel berichtete).
Damit sind die drei Giganten wieder zurück auf dem Preisniveau der 1990er-Jahre. Im Falle von Yoshinoya bedeuten die 426 Yen sogar einen neuen historischen Rekordpreis. Es ist eine Entwicklung, die noch vor nicht langer Zeit unvorstellbar war. Manche Experten betrachten dies als eine Rückkehr zu einem normalen Preisniveau und eine Befreiung aus der Deflationsspirale. Die globale wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Monate scheint auch im inflationsresistenten Japan erste Spuren zu hinterlassen.
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