Der Shinkansen erhält einen Bürowagen

Eine stark zurückgegangene Reisetätigkeit wie auch fehlende ausländische Touristen haben die japanischen Bahnbetreiber in die roten Zahlen geführt. Im September 2021 lag die Auslastung in den Shinkansen von JR East im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit bei gerade mal 54 Prozent. Auf den gewöhnlichen Linien waren es 60 Prozent. JR East passt sich diesem Umstand nun an. Um Kosten zu sparen wird, mit Beginn des neuen Fahrplans im Frühling 2022 die Zahl der Bahnverbindungen verringert. Sollte die Nachfrage kurzzeitig ansteigen, will man flexibel reagieren und Extra-Züge einsetzen.
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Die Fahrkartenschalter werden bis 2025 mehrheitlich mit Automaten ersetzt, die per Knopfdruck einen direkten Kontakt mit einem Mitarbeiter erlauben (Asienspiegel berichtete).
Ein Büro im Shinkansen
Gleichzeitig versucht JR East in diesen schwierigen Zeiten neue Nischen zu finden. Nach einer Versuchsphase im Frühjahr und im Sommer (Asienspiegel berichtete) sind seit dieser Woche auf den Shinkansen-Strecken Tohoku (Tokio-Aomori), Joetsu (Tokio-Niigata) und Hokuriku (Tokio, Nagano, Kanazawa) Bürowagen regulär im Einsatz. Dieses «Shinkansen-Office» befindet sich auf ausgewählten Verbindungen jeweils im Wagen Nummer 8. 100 Sitze und ein kostenloses Internet stehen hier allen Personen zur Verfügung, die dringend eine Arbeit, ein wichtiges Gespräch oder eine Online-Konferenz zu erledigen haben. Aufklappbare Trennwände für den Laptop, eine «Scheuklappe» für die Augen, um sich vor äusseren Reizen zu schützen, ein Smartphone-Aufladegerät oder «Smart Glasses» von Epson können kostenlos ausgeliehen werden.
Im «Shinkansen Office» darf gesprochen werden. In dieser Umgebung müssen sich die Geschäftsreisenden keine Sorgen machen, andere Passagiere zu stören. Denn gewöhnlich hat in den japanischen Zügen die Ruhe Priorität. Telefongespräche in Bahnwagen sind verpönt. Die neue Büro-Klasse ist so gesehen ein wichtiges Verkaufsargument, das insbesondere auf den langen Strecken bis nach Aomori, Kanazawa und Hokkaido zum Tragen kommen könnte. Gleichzeitig soll damit das in der Pandemie eingeführte Konzept von «Workation», bei der die Arbeit mit Urlaub kombiniert wird, gefördert werden (Asienspiegel berichtete).
Die Vision für die Zukunft

Der Bürowagen steht allen offen. Die Idee dahinter ist, dass man den Wagen nur für die Zeit der Arbeit benutzt und danach wieder zu seinem normalen Sitzplatz zurückkehrt. Das «Shinkansen-Office» ist zudem einzig unter der Woche verfügbar. An den Wochenenden und während Feiertagsperioden wird auf einen Einsatz verzichtet.
Noch ist die Ausstattung des Bürowagens dieselbe wie in einem normalen Wagen. JR East spielt jedoch mit dem Gedanken, diesen komplett neu zu gestalten. Eine erste Visualisierung hat der Bahnbetreiber im Dezember vorgestellt. Breite Sitze, grosse Tische, Panoramafenster und eine stabile Internetverbindung sollen den Shinkansen dereinst zum attraktiven Büro werden lassen. Diese Dienstleistung könnte ab 2024 Realität werden. Übrigens hat auch JR Central in seinem Tokaido-Shinkansen begonnen, versuchsweise einen Bürowagen anzubieten (Asienspiegel berichtete).
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