75 Jahre Friedensverfassung
Japan ist mitten in der Golden Week. Ein fester Bestandteil dieser Feiertagsperiode ist der heutige Constitution Memorial Day (jp. Kenpō Kinenbi 憲法記念日), welcher der Nachkriegsverfassung gewidmet ist. Formuliert wurde sie von jungen Offizieren der damaligen US-Besatzung, weil die japanischen Vorschläge US-Oberbefehlshaber Douglas MacArthur zu wenig weit gingen (Asienspiegel berichtete).
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Im Oktober 1946 stimmten beide Häuser dem Gesetzeswerk zu. Am 3. November 1946 folgte die Unterschrift von Kaiser Hirohito und der Regierung unter Premierminister Shigeru Yoshida (siehe Bild unten). Exakt sechs Monate später, am 3. Mai 1947, trat die neue Verfassung in Kraft (hier der gesamte Verfassungstext auf Englisch). Bereits 1948 wurde der dazugehörige Feiertag abgehalten, um über die Bedeutung der Demokratie und der Regierung nachzudenken.
Die moderne Friedensverfassung
Die japanische Verfassung garantiert die Menschenrechte sowie die Meinungs- und Pressefreiheit, schreibt die strikte Trennung von Religion und Staat vor, gibt den Frauen das Wahl- und Stimmrecht, erklärt den einst mächtigen Kaiser zum Symbol des Staates ohne politischen Einfluss und spricht dem Land, das Recht auf Kriegsführung ab.
Letzterer Aspekt wird im Artikel 9 festgehalten, in dem Japan auf die Kriegsführung zur Lösung internationaler Konflikte und den Unterhalt einer Armee verzichtet. Es handelt sich um eines der fortschrittlichsten Gesetzeswerke überhaupt. Für viele Japaner ist diese Verfassung zu einem Symbol und Garanten für den Wohlstand und den Frieden geworden.
Die Verfassung nach der Zeitenwende
Seit 75 Jahren ist die Verfassung unverändert in Kraft. Doch genauso lange ist von konservativer Seite unter Beschuss. Von ihr wird sie als ein aufgezwungenes Element angesehen, das es den geopolitischen Realitäten anzupassen gelte. Weil bislang aber keine noch so grosse Regierungsmehrheit daran etwas ändern konnte, hat man sich auf das grosszügige Interpretieren der Verfassung beschränkt. So besitzt Japan seit den 1950ern anstatt einer Armee sogenannte «Selbstverteidigungs-Streitkräfte». Denn jedes Land habe ein Recht auf Selbstverteidigung, interpretierte man damals. Folglich sei der Unterhalt solcher Truppen kein Verstoss gegen den Artikel 9.
Selbst nach dem Krieg in der Ukraine bleiben die Meinungen in der Bevölkerung gespalten. Gemäss einer aktuellen Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo befürworten 50 Prozent eine Anpassung des Artikels 9, 48 Prozent sind jedoch weiterhin dagegen. Die Haltung der Bevölkerung in dieser Frage ist essenziell, da für eine Verfassungsänderung nicht nur eine Zweidrittelmehrheit in beiden Parlamentskammern, sondern auch eine einfache Mehrheit per Volksabstimmung notwendig ist.
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