Das Prinzip des «One-Ope»

In Japan spricht man von One-Ope (für «One Operation») wenn eine einzige Person ein gesamtes Restaurant von der Bedienung bis zur Küche führt. Auf dieses System setzte bis 2014 auch die Gyūdon-Kette Sukiya, um den Betrieb in den Nachtstunden aufrechtzuerhalten. Überschöpfung, Unzufriedenheit und ein Massenexodus der Belegschaft waren die Folgen. Hinzu kam ein massiver Image-Verlust in der Öffentlichkeit (Asienspiegel berichtete). Sukiya reagierte, indem sie in 60 Prozent ihrer Betriebe den 24-Stunden-Betrieb temporär einstellte und versprach, während der Nachtstunden mindestens zwei Angestellte pro Laden zu beschäftigen.
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Die Umstellung gelang. In einem Grossteil der Ableger konnte der 24-Stunden-Betrieb in den Folgejahren wieder aufgenommen werden. Ausserdem setzte Sukiya auf die Automatisierung vieler Abläufe. So übernimmt an der Kasse ein Automat die Entgegennahme der Zahlung und die Herausgabe des Wechselgeldes. Der Angestellte kann sich so ganz auf die Bestellung und die anschliessende Zubereitung fokussieren. Sukiya schien die Krise von 2014 endgültig überwunden zu haben.
Ein tödlicher Vorfall
Doch nun holt die Vergangenheit die Fastfood-Kette ein. So stellt sich heraus, dass das Prinzip des One-Ope doch nicht ganz abgeschafft wurde. So setzte Sukiya in den Morgenstunden zwischen 5 und 9 Uhr, wenn nur wenige Kunden einkehren, weiterhin auf das System, eines einzigen Angestellten. Es stellte sich als ein verheerender Entscheid heraus.
Denn im Januar dieses Jahres verlor eine 58-jährige Mitarbeiterin in Nagoya während der Morgenschicht das Bewusstsein.
In der Nacht zuvor hatte sie um 22 Uhr mit ihrer Schicht begonnen und ab 5 Uhr den Betrieb des Ladens allein übernommen. Um 5:30 Uhr fiel sie in der Küche zu Boden. Es vergingen weitere drei Stunden, bis der Angestellte der darauffolgenden Schicht sie auffand. Die Mitarbeiterin verstarb schliesslich im Krankenhaus. Den Notfallknopf, der allen One-Ope-Angestellten im Form eines Halsbandes verteilt wird, hatte sie zum Zeitpunkt des Unfalls offenbar nicht auf sich.
Die Folgen für Sukiya
Die Kritik an Sukiya war in der Folge gross. Der Betrieb stelle den Gewinn vor die Gesundheit der Angestellten, hiess es. Insbesondere die Ereignisse von 2014 hätten eine Lehre sein sollen, ganz auf die Risiken von One-Ope zu verzichten. Eine Tatsache ist jedoch auch, dass Japan aufgrund der Überalterung der Gesellschaft an einem akuten Personalmangel leidet. Die Fortsetzung des 24-Stunden-Betriebs, eine jahrelange Selbstverständlichkeit in Japan, wird zunehmend zu einer Bürde für diese Restaurants.
Sukiya hat auf diesen tragischen Vorfall reagiert. Das Prinzip des One-Ope soll nun endgültig der Vergangenheit angehören. Noch in diesem Monat will die Kette damit beginnen, mindestens zwei Personen auch in den Morgenstunden zu beschäftigen.
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