Ex-Premier Shinzo Abe stirbt nach Attentat

Auf Shinzo Abe wurde am Freitagmorgen um 11:31 Uhr japanischer Zeit bei einer Wahlrede in der Stadt Nara ein Attentat verübt. Dem ehemaligen Premierminister wurde auf offener Strasse in den Rücken geschossen. Es kam zu zwei Schussabgaben aus unmittelbarer Nähe. Abe fiel nach dem zweiten Schuss sofort zu Boden, wie ein Augenzeugenvideo (Achtung: sehr verstörender Inhalt) zeigt.
Der 67-Jährige wurde ohne Lebenszeichen in ein Krankenhaus gebracht. Jede Hilfe kam zu spät. Gemäss NHK News erlag Shinzo Abe um 17:03 Uhr im Krankenhaus seinen Verletzungen. Ein sichtlich berührter Premier Fumio Kishida sprach von einer nicht zu tolerierenden verabscheuungswürdigen Barbarei und dies mitten in einer Wahl, die das Fundament einer Demokratie bilde.
Der Attentäter
Der 41-jährige Tetsuya Yamagami wurde am Tatort festgenommen. Der Attentäter war bis 2005 Mitglied der maritimen Selbstverteidigungsstreitkräfte des Landes. Die genauen Motive bleiben unklar. Er soll der Polizei gesagt haben, dass er nichts gegen die politischen Überzeugungen Abes habe, jedoch «unzufrieden» mit ihm gewesen sei. Später sagte er aus, dass er gegen eine religiöse Gruppe, die Abe unterstützt haben soll, einen Groll gehegt habe. Seine Mutter sei durch Spenden an diese Gruppe bankrottgegangen.
Ersten Angaben zufolge handelte es sich bei der Tatwaffe um eine selbstgebaute Schrotflinte. In Japan gelten strengste Waffengesetze. Der Besitz einer Schusswaffe ist generell untersagt. Doch bereits seit einigen Jahren wird vor der Herstellung eigener Waffen gewarnt (Asienspiegel berichtete). Die Polizei hat inzwischen die Wohnung von Yamagami durchsucht, wo weitere Waffen sichergestellt wurden.
Wahlen am Sonntag
Shinzo Abe war anlässlich einer Wahlrede für die anstehenden Oberhauswahlen vom Sonntag nach Nara gereist. Das Attentat erschüttert die politische Welt. Abe war von 2006 bis 2007 und anschliessend von 2012 bis 2020 Premierminister Japans. Kein anderer Regierungschef war länger in diesem Amt. Gesundheitliche Gründe zwangen ihn im August 2020, mitten in der Corona-Pandemie, zum Rücktritt (Asienspiegel berichtete). Abe war aber auch nach seinem Rücktritt politisch aktiv. Als Abgeordneter des Unterhauses und als Vorsitzender einer eigenen mächtigen Faktion innerhalb der Regierungspartei LDP blieb der Ex-Premier ein einflussreicher Politiker.
Shinzo Abe stammte aus einer Politikerfamilie. Premier Nobusuke Kishi (Amtszeit: 1957 – 1960) war sein Grossvater, Premier Eisaku Sato (1964 – 1972) sein Grossonkel. Sein Vater Shintaro Abe war von 1982 bis 1986 Aussenminister. Sein jüngerer Bruder Nobuo Kishi ist der heutige Verteidigungsminister. Abe war mit Akie Abe (Asienspiegel berichtete) verheiratet. Sie hatten keine Kinder.
Die Attentate von 1960
Das heutige Attentat weckt böse Erinnerungen an das Jahr 1960. Damals wurde Inejiro Asanuma, Vorsitzender der Sozialisten, auf der Bühne von einem Ultranationalisten erstochen. Das war im Oktober 1960. Nur wenige Monate zuvor, im Juli 1960 wurde auf Abes Grossvater Nobusuke Kishi, den damals abtretenden Premierminister, ein Messerattentat verübt. Sechsmal wurde damals auf seinen Oberschenkel eingestochen. Kishi überlebte. Auch in den Jahren danach kam es vereinzelt zu Angriffen gegen Politiker. Das letzte tragische Ereignis ereignete sich 2007, als Itcho Ito, Bürgermeister von Nagasaki, von einem Mitglied der Yakuza bei einer Wahlrede erschossen wurde.
Noch ist nicht abzusehen, welche Folgen die Ermordung von Shinzo Abe auf die japanische Demokratie haben wird. Fest steht, dass sie heute in ihren Grundfesten erschüttert wurde.
Der Ort des Attentates
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