Die Giganten von Goshogawara
REISENOTIZEN – Ich bin zurzeit unterwegs in Japan. In dieser Serie teile ich meine täglichen Reiseerlebnisse und Beobachtungen.
Die Präfektur Aomori im Norden der Präfektur Honshu ist landesweit bekannt für ihre Sommerfeste, die je nach Ort Nebuta oder Neputa genannt werden. Charakteristisch sind die riesigen, dreidimensionalen und farbenfrohen Papierlaternenfiguren, die jeweils von Dutzenden Menschen durch die Strasse gezogen und gestossen werden. Um dieser Kultur näherzukommen, fahre ich nach Goshogawara. Die Kleinstadt mit ihren 50’000 Einwohnern mag verschlafen wirken. Doch einmal im Jahr wächst sie buchstäblich über sich hinaus. Denn zwischen dem 4. und 8. August findet in Goshogawara eines der vier grossen Nebuta-Festivals der Region Tsugaru statt. Weitere Städte sind Aomori, Hirosaki und Kuroishi.
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Goshogawara zeichnet sich durch seine riesigen Laternenfiguren aus. Die 23 Meter hohen und 19 Tonnen schweren, farbenfrohen Konstruktionen stellen verschiedene mythologische und historische Figuren dar. Sie werden Tachineputa genannt, «die stehenden Neputa». Drei dieser Paradewagen werden jedes Jahr im August feierlich durch die Strassen von Goshogawara gezogen. Der Bau ist derart aufwendig, dass pro Jahr nur 1 solcher Wagen gebaut wird. Hinzu kommen während des Festivals 15 weitere Wagen unterschiedlicher Grössen.
Das Schöne an diesem Festival ist, dass die Tachineputa das ganze Jahr über bewundert werden können. Sie werden in einem voluminösen sechsstöckigen Gebäude, das an eine Raketenhalle erinnert, gebaut und aufbewahrt. Gleichzeitig ist es ein Museum, das die Neputa-Kultur von Goshogawara näher vorstellt. Auf mehreren Etagen kann man die 3D-Kunstwerke aus nächster Nähe betrachten. Die schiere Höhe dieser Gebilde überwältigt mich und weckt in mir den Wunsch, das Neputa-Festival im August selbst einmal hautnah mitzuerleben.
Das verlorene Wissen
Im Museum erfährt man, dass das technische Wissen über diese riesigen Tachineputa einst fast vollständig verloren ging. Man wusste nur noch, dass in der Meiji- und Taisho-Zeit 20 Meter hohen Umzugswagen durch die Strassen gezogen wurden. In der Folgezeit führten die Errichtung von Strommasten zu einer massiven Verkleinerung der farbenprächtigen Kunstwerke. Schliesslich vernichteten zwei Brände in Goshogawara wichtige Dokumente.
Erst als 1993 ein Einwohner beim Sortieren des Nachlasses seiner Vorfahren zufällig auf Baupläne der originalen Tachineputa aus der Meiji-Zeit stiess, fand sich eine Gruppe von Freiwilligen zusammen, um die Laternenfiguren in ihrer einstigen Grösse wieder zum Leben zu erwecken. 1996 wurde zum ersten Mal seit 80 Jahren wieder ein Tachineputa durch die Strassen gezogen.
Die Baumaterialien der heutigen Tachineputa unterscheiden sich jedoch stark von den früheren Modellen. Nicht mehr Holz, Bambus und Kerzen, sondern filigrane Stahlgerüste und LED-Lichter geben den 3-D-Figuren Form und Aussehen. Das Festival hat auch zur Verschönerung der Stadt beigetragen. Die Stromleitungen entlang der Umzugsroute wurden unterirdisch verlegt und die Strassen verbreitert.
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