Ein Museum über das Hightech-Toilettenland Japan
REISENOTIZEN – Ich bin zurzeit unterwegs in Japan. In dieser Serie teile ich meine täglichen Reiseerlebnisse und Beobachtungen.
1980 brachte die Firma TOTO aus der Stadt Kitakyushu mit dem «Washlet» ein Gerät auf den Massenmarkt, das die japanische Toilettenkultur revolutionieren sollte. Ein gezielter Wasserstrahl, dessen Stärke und Temperatur selbst reguliert werden konnte, liess das Toilettenpapier plötzlich zur Nebensache werden. «Schliesslich wäscht man seine Hände auch nicht mit Papier», argumentierte eine junge Frau in der damaligen Fernsehwerbung.
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42 Jahre nach der Markteinführung wurde in Japan die Schwelle von über 60 Millionen verkauften Washlets von TOTO überschritten. Nimmt man die Zahlen aller japanischen Dusch-WC-Hersteller zusammen, so wurden sogar mehr als 100 Millionen Toiletten mit integrierter Warmwasserdusche ausgeliefert. Mehr als 80 Prozent der Haushalte verfügen inzwischen über eine solche Hightech-Toilette. Auch in öffentlichen Einrichtungen nimmt die Verbreitung seit einigen Jahren rasant zu.
Vom Washiki zum Hightech-WC
Das Washlet ist zu einem Symbol der japanischen Alltagskultur geworden (Asienspiegel berichtete). Toto selbst bezeichnet es sogar als Teil der Omotenashi-Kultur, die für die einzigartige japanische Gastfreundschaft steht. Dies ist eine erstaunliche Entwicklung in einem Land, in dem lange Zeit das Washiki-Stehklo die Norm war (Asienspiegel berichtete). TOTO zeichnet diese Geschichte in einem eigenen, elegant gestalteten Museum in Kitakyushu nach.
Dort erfahre ich, dass diese Firma, die früher Tōyō Tōki («Oriental Ceramics») hiess und 1914 den ersten westlichen Toilettensitz aus Keramik mit Wasserspülung entwarf. Eine Nachbildung davon ist heute im Museum zu sehen. Es war eine Zeit, in der es im grössten Teil des Landes noch nicht einmal eine Kanalisation gab. Um über die Runden zu kommen, da die Nachfrage lange Zeit gering war, verkaufte das Unternehmen Porzellangeschirr. Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte sich das Unternehmen vollends als Toilettenhersteller und änderte 1970 seinen Namen zu TOTO.
Die Entwicklung
Ursprünglich eine Schweizer Erfindung (Closomat), wurde das Dusch-WC in den 1960ern nach Japan importiert. Zunächst in medizinischen Einrichtungen eingesetzt, entwickelten TOTO und Konkurrent LIXIL (damals Ina Seito) daraus die ersten japanischen Dusch-WCs. Mit dem Washlet gelang TOTO schliesslich ab den 1980ern der grosse Durchbruch.
Das Museum widmet sich ausführlich der stetigen technischen Evolution der Hightech-Toilette, die alle paar Jahre mit neuen Funktionen aufwartet. Anhand von Illustrationen, Fotos und Modellen zeigt TOTO anschaulich, wie sich die Toilettenkultur nach dem Zweiten Weltkrieg in den eigenen vier Wänden, in Hotels und öffentlichen Einrichtungen rasant entwickelte. Ausserdem sind alle von TOTO entworfenen Toiletten ausgestellt. Auch die sanitäre Frühgeschichte des Landes kommt nicht zu kurz. So erfährt man zum Beispiel, dass in der Edo-Zeit menschliche Fäkalien wirkungsvoll als Dünger verwendet wurden und dass in dieser Zeit die Kultur der öffentlichen Badehäuser ihren Anfang nahm.
Ein ebenso interessanter Aspekt ist die kontinuierliche Verringerung der Wassermenge pro Spülung. Waren es bei den alten Modellen noch 20 Liter, so sind es bei den modernsten Modellen nur noch 3,8 Liter.
Das Museum ist eine faszinierende Zeitreise durch einen zentralen Aspekt unseres Lebens. Als Europäer verlässt man den Rundgang mit dem Gefühl, in einer rückständigen WC-Kultur zu leben. So richtig bewusst wird einem das in der öffentlichen Toilette des TOTO-Museums, die natürlich auf dem neuesten Stand ist und als unauffälliges Highlight dieser Ausstellung bezeichnet werden kann. Es ist wohl das einzige Museum der Welt, das man mit dem Drang nach dem «grossen Geschäft» betreten sollte.
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