Die fast perfekte Täuschung
Jeweils Ende Februar legen Tausende von japanischen High-School-Schülern die Eintrittsprüfungen für die Universitäten ab. Hier entscheidet sich, wer ab April in die prestigeträchtigen Institutionen des Landes gehen darf und wer sich mit einer einfacheren Hochschule begnügen muss. Ein Betrugsfall stellt nun aber das ganze japanische Prüfungssystem in Frage.
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So erschienen noch während der Dauer des Examens für die renommierte Universität Kyoto 6 Prüfungsfragen auf der Yahoo-Internetseite Chiebukuro (dt. «die Quelle der Weisheit»). Dieser Dienst stellt ein Forum zur Verfügung, bei dem jedermann Fragen publizieren darf, welche von anderen Nutzern beantwortet werden können. Der User mit dem Namen Aicezuki machte sich diesen Service für die schwierigen Eintrittsexamen in den Fächern Englisch und Mathematik zu Nutze.
Eine Antwort innert Minuten
Nur wenige Minuten nach dem Start der Prüfungen waren die ersten Fragen bereits online. «Schreibt bitte nicht nur die Antwort hin, zeigt mir auch den Weg, wie ihr zu dieser Antwort gekommen seid», präzisierte Aicezuki seine Frage. Noch vor Prüfungsende bekam er von der Internetgemeinde Antworten zur Verfügung gestellt.
Als die Universitätsleitung ein paar Tage später Wind von der Schummelei bekamen, standen sie vor einem Rätsel. Wie konnte jemand noch im Prüfungssaal sitztend die Examensfragen online stellen? Immerhin ist den Schülern einzig die Benutzung eines Stifts erlaubt. Das Handy muss abgestellt in der Tasche verstaut sein. Hunderte von Angestellten sorgen dafür, dass auch alles mit korrekten Dingen abläuft.
Viele offene Fragen
Ausserdem zeigten sich die Behörden überrascht über die Geschwindigkeit von Aicezuki. Innert 30 Minuten konnte er 6 Fragen auf Yahoo Chiebukuro publizieren. Möglicherweise steckt mehr als eine Person hinter dem Nutzernamen, mutmassten einige Medien. Andere glaubten, dass der Schummler die Fragen mit dem Handy fotografierte und einem Komplizen weitersandte, der diese dann auf Yahoo Chiebukuro veröffentlichte.
Einige Tage später haben die Ermittler die Person hinter Aicezuki ausfindig machen können. Wie die Polizei von Kyoto bekannt gab, seien alle Fragen von einem einzigen Handy aus versandt worden. In Zusammenarbeit mit der entsprechenden Telekomgesellschaft konnte ein 19-jähriger Schüler aus der Stadt Sendai identifiziert werden. Die Polizei hat ihn am 3. März festgenommen.
Eine Anklage droht
Gemäss der Mainichi Shimbun droht ihm nach Jugendstrafrecht eine Anklage wegen Behinderung eines Geschäftsganges. Die Universität Kyoto soll bereits dessen Prüfung mit den Antworten auf Yahoo Chiebukuro verglichen und auffällige Ähnlichkeiten gefunden haben, wie dieselbe Zeitung weiter berichtet. Ausserdem soll Aicezuki auch bei den Eintrittsprüfungen für drei weitere renommierte Universitäten die Hilfe des Internets beigezogen haben.
Noch spekuliert die japanische Presse über die genauen Vorgänge. Die Polizei hofft nun, dass der 19-Jährige selbst die vielen ungeklärten Fragen in dieser Schummelaffäre beantworten wird.
Einsatz eines Störsenders?
Um künftig ähnliche Schummeleien zu verhindern, denken bereits einige Bildungsinstitute laut über die Anwendung von Störsendern nach, die den Handygebrauch verunmöglichen. Bereits in Konzerthallen und in Spitälern in Japan wird diese Technik angewendet.
Die Universität Kyoto will derweil am 10. März die Prüfungsresultate bekanntgeben. Allfällige weitere Schummler würden sofort ausgeschlossen, liess die Unileitung vorsorglich alle Betroffenen wissen.
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