Ein Mann gegen die Manga-Branche
Das Tokioter Stadtparlament hat einem umstrittenen Gesetzesentwurf zu sexuellen Darstellungen in Manga und Anime zugestimmt (Asienspiegel berichtete). Beide grossen Parteien, die DPJ und die LDP, unterstützten die Vorlage. Künftig kann der Verkauf von Werken, die «strafbare sexuelle Handlungen übertrieben darstellen oder verherrlichen» von der Stadt reguliert oder gar komplett verboten werden. Die Manga-Industrie wird zudem aufgefordert, bis zum 1. April Vorschläge für selbstregulierende Massnahmen vorzulegen.
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Die Manga-Künstler und Verlage haben sich stets gegen ein solches Gesetz gewehrt. Der neue Gesetzesentwurf sei mehrdeutig auslegbar, und gefährde nicht nur das in der Verfassung garantierte Recht auf freie Meinungsäusserung, sondern auch die künstlerische Freiheit. Ausserdem bezeichnen Kritiker den Entwurf als unnötig, da es schon genügend Gesetze gebe, die Publikationen mit obszönen Inhalten verbieten würden.
Der kontroverse Gouverneur
Die Wut richtet sich im speziellen gegen den Vater dieses Gesetzes, den streitbaren Tokioter Gouverneur Shintaro Ishihara. Er habe die Regelung ohne grosse Ankündigung und Beratung mit der Branche durchgedrückt. Sie werfen Ishihara, der selbst ein berühmter Schriftsteller ist und 1956 mit dem bedeutendsten japanischen Literaturpreis, den Akutagawa-Preis, ausgezeichnet wurde, Populismus vor.
Der Tokioter Gouverneur argumentierte stets, dass ein solches Gesetz notwendig sei, um der grassierenden sexuellen Gewalt in der Welt der Manga einen Riegel zu schieben. Mit einer strengeren Regelung könnten sowohl die Kinderpornographie, wie auch der gefährliche Einfluss solcher Darstellungen auf die jugendliche Leserschaft bekämpft werden. Zusammen mit Eltern- und Lehrerverbänden setzte er sich für die neue Regelung ein.
Einfach nur schädlich
Dabei vertrat ausgerechnet Shintaro Ishihara als Schriftsteller noch eine andere Meinung. So heisst es in seinem 1972 erschienen Werk «Die wahre Sexualerziehung» (jap. Shinshitsu no Seikyōiku), dass «es keine Schriften gibt, die Kinder zu verbrecherischen Handlungen verführen». Von der Yomiuri Shimbun darauf angesprochen, sagte Ishihara: «Damals habe ich einen Fehler gemacht.» Zu seiner eigenen Rechtfertigung meinte er jedoch im gleichen Atemzug: «Im Gegensatz zu heute gab es seinerzeit fast keine Bücher, die Perversionen billigten.»
Und zur Frage, was er von Vladimir Nabokovs Klassiker «Lolita» hält, antwortete Ishihara: «Damals schockierend, besitzt der Roman dennoch zu einem bestimmten Grad eine Schönheit in seiner Erzählung.» Im Gegensatz dazu seien die heutigen Manga, die sexuell gewalttätige Szenen wiedergeben, einfach nur schädlich, meinte Tokios Gouverneur in der Yomiuri Shimbun weiter.
Die Boykott-Drohung
Japans grösste Manga-Verlage geben sich mit dieser Argumentation nicht zufrieden. Zum Ausdruck ihrer Unzufriedenheit haben die 10 grossen Verleger der japanischen Comic-Welt angedroht, die Tokyo International Anime Fair nächsten März boykottieren zu wollen. Mit über 130’000 Besuchern handelt es sich um die wichtigste Messe der Branche. Der Vorsitzende und Schirmherr der Veranstaltung ist ganz nebenbei Shintaro Ishihara.
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