Ein Symbol ohne Pass

Braucht der Tenno einen Pass, wenn er auf Reisen geht? Darüber zerbrach sich 1971 das Aussenministerium den Kopf, wie laut NHK News ein kürzlich freigegebenes Regierungsdokument zeigt. Der Anlass war Kaiser Hirohitos erste offizielle Auslandsreise, die ihn nach London, Paris und Bonn führen sollte.
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Als Vergleich mochte dem japanischen Aussenministerium Grossbritanniens Königin Elisabeth II. gedient haben, die schon damals wie keine andere Monarchin die Welt bereiste.
In ihrem Fall ist es so, dass sie keinen britischen Reisepass besitzt. Denn immerhin werden diese Dokumente im Namen der Königin, die zugleich Staatsoberhaupt ist, ausgestellt. «Damit ist es für die Queen nicht notwendig, selbst einen Reisepass zu besitzen», wird auf der offiziellen Seite der britischen Monarchie festgehalten.
Ein zeremonielles Symbol
In Japan ist die Sache etwas komplizierter. So ist der Kaiser laut Artikel 1 der Verfassung das Symbol des Staates und der Einheit des Volkes. Der Tenno ist also weder Staatsoberhaupt, noch verfügt er über irgendwelche Befugnisse, politische Entscheidungen zu treffen (Asienspiegel berichtete). Sein Porträt ziert auch keine Banknoten oder Münzen.
Wie sollte man also ein Symbol, das weder Staatsoberhaupt noch normaler Bürger ist, bezüglich Reiseformalitäten behandeln? Am 10. Mai 1971 kam das Aussenministerium laut dem Regierungsdokument zum Schluss, dass es «unangemessen» wäre, dem Kaiser und der Kaiserin einen Reisepass auszustellen. Ausserdem wäre es «höchst unangebracht», den Tenno einer Visa-Prozedur auszusetzen, hiess es darin weiter.
Erste Auslandsreise seit 1921
So reiste der Tenno wie die Queen ganz ohne Reisepass ins Ausland. 1972 ging er nach Europa, 1975 folgte ein Besuch in den USA. Es waren genau gesehen nicht seine ersten Reisen nach Übersee. Bereits 1921 war Hirohito als erster japanischer Kronzprinz überhaupt mit einem grossen Gefolge zu Besuch in Grossbritannien, Frankreich, Holland und Belgien. Ob Hirohito damals einen Pass besass, konnten weder das Aussenministerium noch das Hofamt auf Anfrage der Nachrichtenagentur Jiji beantworten.
Die Entscheidung des Aussenministeriums von 1971 ist übrigens unverändert geblieben. Auch der heutige Tenno und seine Frau besitzen keine Reisepässe. Für die restlichen Familienmitglieder, inklusive Kronprinz, gelten wiederum andere Regeln. Sie alle sind im Besitz diplomatischer Pässe.
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