Japans Kriegsverzichtsartikel 9
Von der ehemaligen Besatzungsmacht USA formuliert, ist Japans Verfassung seit nunmehr 70 Jahren unverändert geblieben. Mit diesem Gesetzeswerk wurde der japanische Kaiser nach dem Zweiten Weltkrieg vom Staatsoberhaupt zum Symbol ohne politische Macht degradiert. Ausserdem machte Japan darin zwei weltweit einzigartige Versprechen. Im Artikel 9, Paragraf 1, verzichtet das Land auf das souverän Recht auf Kriegsführung. Im zweiten Paragraf verpflichtet sich Japan, keine Armee zu unterhalten.
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Für rund die Hälfte der Bevölkerung ist dieser Kriegsverzichtsartikel 9 zu einem Garanten und Symbol für die über 70 Jahre anhaltende Friedenszeit geworden. Die Kritiker jedoch bezeichnen diesen Artikel als nicht mehr zeitgemäss. Es gelte diesen, den geopolitischen Realitäten anzupassen. Ausserdem hat Japan schon in den 1950ern, zu Beginn des Kalten Krieges, den Artikel 9 umgangen, indem es statt einer Armee sogenannte «Selbstverteidigungsstreitkräfte» (SDF) gründete, die heute faktisch eine der teuersten Armeen überhaupt ist. 2015 hat die Regierung den Artikel nochmals so uminterpretiert, dass Japan nun auch Alliierte in Übersee militärisch unterstützen darf (Asienspiegel berichtete).
Die Gegner der Friedensverfassung
Premierminister Shinzo Abe und seine Partei LDP gehören seit jeher zu den grössten Gegner der aktuellen Verfassung. In früheren Entwürfen schlugen sie vor, den Tenno wieder zum Staatsoberhaupt zu machen und den Artikel 9 abzuschaffen. Doch eine Revision ist schwierig. In beiden Häusern ist eine Zweidrittel-Mehrheit notwendig und schliesslich muss diese in einem Referendum von der Bevölkerung abgesegnet werden. Dies ist der Grund, weshalb Japan trotz anhaltender konservativer Regierungsmehrheit die Verfassung nie geändert hat.
Doch seit letztem Jahr hätte die LDP, zusammen mit anderen Parteien, erstmals die nötigen Mehrheiten, um eine Änderung durchzubringen (Asienspiegel berichtete). Da hierfür aber Koalitionen notwendig sind, war nie klar, wie weit Abe gehen möchte. Nun, am Tag der Verfassung am 3. Mai, hat der Regierungschef erstmals etwas konkreter seine Pläne einer Verfassungsänderung der Öffentlichkeit vorgestellt, wie NHK News berichtete.
Abes strategische Vorschläge
Demnach scheint er zu Kompromissen bereit zu sein. Die beiden Paragrafen des Artikels 9 möchte er beibehalten. Gleichzeitig aber noch einen dritte Paragrafen hinzufügen, der die Basis für das Existenzrecht der Selbstverteidigungstruppen legt. Mit diesem Schritt scheint er dem Koalitionspartner Komeito entgegenkommen zu wollen, der sich stets skeptisch gegenüber einer Änderung des Kriegsverzichtsartikels gezeigt hat. Gleichzeitig zielt er mit der Beibehaltung der ersten beiden pazifistischen Paragrafen darauf ab, die Bevölkerung für seine Sache zu gewinnen.
Ein zweiter Vorschlag, den Abe unterbreitet, ist die höhere Bildung gebührenfrei zu machen. Damit könnte er die Oppositionspartei Japan Innovation Party für sich gewinnen. Umsetzen möchte Abe seine Pläne bis 2020. Damit hat er auch indirekt bestätigt, dass er für eine weitere Amtszeit kandidieren wird. Ob Abe seine Verfassungspläne umsetzen kann, bleibt ungewiss. Noch gibt es viele Hürden zu überwinden. Letztendlich muss die Bevölkerung davon überzeugt werden. Eine erste Umfrage von NHK ergab, dass 43 Prozent eine Revision befürworten, 34 Prozent dagegen sind und 17 Prozent noch keine Meinung dazu haben.
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