Das Ende der Friedensverfassung?

Kaiser Hirohito unterzeichnet 1947 die neue Verfassung, die bis heute unverändert geblieben ist.
Kai­ser Hiro­hi­to unter­zeich­net 1947 die neue Ver­fas­sung, die bis heu­te unver­än­dert geblie­ben ist. Foto: wiki­me­dia crea­ti­ve commons

121 der 242 Sit­ze im japa­ni­schen Ober­haus wur­den ges­tern neu ver­teilt. Dass die Regie­rungs­par­tei LDP unter Pre­mier­mi­nis­ter Shin­zo Abe als kla­re Gewin­ne­rin davon­zie­hen wür­de, war von Anfang an klar. Hier­für sitzt Pre­mier­mi­nis­ter Shin­zo Abe trotz Rück­schlä­gen in sei­nem Wirt­schafts­pro­gramm viel zu fest im Sat­tel – zu schwach und frag­men­tiert sind die zahl­rei­chen Oppo­si­ti­ons­par­tei­en. Daher stand viel­mehr die Fra­ge im Raum, wie hoch der Sieg aus­fal­len würde.

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Abes Par­tei hat haus­hoch gewon­nen und die Mehr­heit aus­bau­en kön­nen. Die LDP besitzt neu 121 Sit­zen im Ober­haus und hat damit erst­mals seit 1989 wie­der die allei­ni­ge Mehr­heit. Nimmt man die Sit­ze der Koali­ti­ons­part­ne­rin Kom­ei­to hin­zu, kommt das Regie­rungs­bünd­nis auf 146 Sit­ze. Das ist eine sat­te abso­lu­te Mehrheit.

Die Zwei­drit­tel­mehr­heit

Pre­mier­mi­nis­ter Shin­zo Abe hat aber noch mehr erreicht. Zusam­men mit den Par­tei­en Initia­ti­ves from Osa­ka, Japa­ne­se Koko­ro und eini­gen Unab­hän­gi­gen erreicht er die gewünsch­te äus­serst knap­pe Zwei­drit­tel­mehr­heit von min­des­tens 162 Sit­zen, die es ihm mit der Zwei­drit­tel­mehr­heit im Unter­haus erlaubt, die Ver­fas­sung zu ändern. Eine sol­che Aus­gangs­la­ge ist in der Nach­kriegs­zeit ein Novum.

Shinzo Abe ist seinem Ziel so nahe wie noch nie.
Shin­zo Abe ist sei­nem Ziel so nahe wie noch nie. Foto: Asi­en­spie­gel

Abe setz­te wäh­rend der Wahl­kam­pa­gne das Gewicht bewusst auf sei­ne Wirt­schafts­po­li­tik und die Regie­rungs­ta­bi­li­tät, gleich­zei­tig hat er nie ein Geheim­nis dar­aus gemacht, dass er den Arti­kel 9 der Frie­dens­ver­fas­sung begra­ben möch­te. Dar­in ver­zich­tet Japan auf die Kriegs­füh­rung zur Lösung inter­na­tio­na­ler Kon­flik­te und den Unter­halt einer Armee. Die Regie­rungs­par­tei sprach sich aus­ser­dem dafür aus, den Ten­no vom Sym­bol zum Staats­ober­haupt zu machen (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Die unver­än­der­te Friedensverfassung

Seit 69 Jah­ren ist die­se von den dama­li­gen ame­ri­ka­ni­schen Besat­zern for­mu­lier­te Ver­fas­sung unver­än­dert. Für vie­le ist das Geset­zes­werk zu einem Garan­ten für Japans fried­li­chen, wirt­schaft­li­chen Auf­stieg gewor­den (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Sie habe zudem zum anhal­ten­den Frie­den in Ost­asi­en bei­ge­tra­gen und eine mili­tä­ri­sche Eska­la­ti­on verhindert.

Für die Kon­ser­va­ti­ven war die Ver­fas­sung stets ein stö­ren­des Ele­ment, das es den geo­po­li­ti­schen Rea­li­tä­ten anzu­pas­sen gel­te. Weil aber kei­ne noch so gros­se, kon­ser­va­ti­ve Regie­rungs­mehr­heit dar­an etwas ändern konn­te, beschränk­te man sich in den letz­ten 69 Jah­ren aufs gross­zü­gi­ge Inter­pre­tie­ren der Verfassung.

In den 1950er-Jah­ren, als man begann, sich für den Kal­ten Krieg zu rüs­ten, erschuf man anstatt einer Armee die soge­nann­ten Selbst­ver­tei­di­gungs­streit­kräf­te. Jedes Land habe ein Recht auf Selbst­ver­tei­di­gung, inter­pre­tier­te man damals. Somit wer­de auch nicht gegen den Arti­kel 9 ver­stos­sen. Im Juli 2014 ging Pre­mier Shin­zo Abe auf die glei­che Wei­se ähn­lich vor. Er leg­te die Ver­fas­sung so aus, dass Japan heu­te das Recht auf kol­lek­ti­ve Selbst­ver­tei­di­gung anwen­den darf, obwohl für vie­le die Ver­fas­sung ande­res sug­ge­riert (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Wie geht es weiter?

Nun haben Shin­zo Abe und sei­ne ewi­ge Regie­rungs­par­tei LDP zusam­men mit ande­ren ähn­lich gesinn­ten Par­tei­en eine bis­lang uner­reich­te Macht­fül­le, die es ihnen erlaubt, den Pro­zess einer Ver­fas­sungs­re­form in Gang zu set­zen. Kurz nach den Wah­len kün­dig­te Abe auch an, dass er sich an die­ses Pro­jekt machen wer­de, wies aber gleich­zei­tig auf die Schwie­rig­kei­ten hin.

Es sei nicht die LDP, die eine Zwei­drit­tel­mehr­heit im Ober­haus habe. Es sei auch nicht das Regie­rungs­bünd­nis mit der Kom­ei­to, die eine Zwei­drit­tel­mehr­heit besit­ze, mach­te der Pre­mier klar, wie NHK News berich­tet. Es gehe nun viel­mehr dar­um, mit den ver­schie­de­nen Par­tei­en die Mög­lich­kei­ten aus­zu­lo­ten und zu bespre­chen. Tat­säch­lich herrscht in die­sem Mehr­heits­la­ger kei­ne Einig­keit. Beson­ders Koali­ti­ons­part­ner Kom­ei­to hat stets betont, dass sie die Abschaf­fung des Kriegszver­zichts­ar­ti­kels nicht als eine Not­wen­dig­keit betrach­te. Selbst die LDP zeigt sich dies­be­züg­lich eher zurückhaltend. 

Auch bei ande­ren Vor­schlä­gen, wie ein Aus­nah­me­zu­stand-Para­graph nach Natur­ka­ta­stro­phen oder einem neu­en Wahl­sys­tem fürs Ober­haus, müs­sen sich die Par­tei­en erst noch fin­den. Und soll­ten sich bei­de Kam­mern der­einst einig seib, benö­tigt eine Ver­fas­sungs­än­de­rung auch immer die Zustim­mung der Bevöl­ke­rung in einem Refe­ren­dum. Es bleibt also noch ein lan­ger Weg für Shin­zo Abe. Doch noch nie war er sei­nem Ziel näher.

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