«Voll von beleidigenden und sinnlosen Kommentaren»
Die Website «2channel» (2ch.net) ist mit 10 Millionen täglichen Besuchen das grösste japanische Internetforum, wo die Nutzer in anonymen Beiträgen von Reisetipps bis zu Pornographischem alles nur Denkbare hinschreiben. Es ist Japans kontroverseste Seite, da sie auch die dunkle Seite einer Gesellschaft ungefiltert wiedergibt und ein Anziehungspunkt für Cyberkriminelle ist.
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So legte ein koordinierter Angriff von 10’000 südkoreanischen Internetnutzern die Website für 2 Tage lahm als Vergeltung gegen herabsetzende Kommentare über die Eiskunstläuferin Kim Yu-Na, die an den olympischen Spielen von Vancouver mit grossem Abstand vor ihrer japanischen Rivalin Mao Asada Gold gewonnen hatte. Nur wenig später konterten japanische Hacker, indem sie die südkoreanische Website des Präsidentenbüros lahm legten. Rassistische Beleidigungen sind heute eine traurige Realität dieses offenen Forums.
Der Gründer verteidigt das Forum
«2channel» wurde 1999 vom damaligen Studenten Hiroyuki Nishimura gegründet, der mittlerweile zahlreiche Bücher geschrieben hat und ein regelmässiger Gast in Fernsehshows ist. Für ihn spielt die Anonymität eine zentrale Rolle beim Erfolg von «2channel». Die Kritik über beleidigende Einträge lässt Nishimura unbeeindruckt: «Es gibt ja auch keine Stadt in dieser Welt mit 10 Millionen Einwohnern, die keine Kriminalität aufweist.»
In den Anfangsjahren fand das Webforum viel medialen Zuspruch. Denn auf keiner anderen Website wird so offen über Tabuthemen wie die kaiserliche Familie oder Homosexualität geschrieben. Firmen und Meinungsforscher verfolgen die Einträge um den Puls der Zeit zu erspüren. Schliesslich wurden Einträge eines Nutzers auf «2channel» im Jahr 2004 zum Ausgangspunkt für den späteren Erfolgsroman, -film und -manga «Densha Otoko – Train Man». Über die Authentizität des Nutzers wird bis heute gestritten.
«Eine helle wie auch eine dunkle Seite»
Einen Tiefpunkt erreichte das Forum, als der junge Amokläufer Tomohiro Kato kurz vor seiner Messerattacke im Tokioter Elektronikviertel Akihabara, über sein Handy die Tat auf «2channel» ankündigte.
Professor Tsutomu Kanayama von der Ritsumeikan Universität in Kyoto sagt, dass «2channel» die Vor- und Nachteile der Internetrevolution offen lege: «Gerade wegen seiner Anonymität ist das Forum heute voller beleidigender und sinnloser Kommentare. Andererseits ist es ein positives Experiment für einen Ort, wo jeder seine wahre Meinung ausdrücken kann. ‹2channel› hat sowohl eine helle wie auch eine dunkle Seite.»
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