Eine rassistische Kimono-Aktion?
1876 stellte Claude Monet erstmals das Werk La Japonaise aus. Es zeigt seine Frau Camille in einem roten, reich verzierten Kimono gekleidet und einem Fächer in der Hand. Ihre blonde Perücke betont derweil ihre westliche Identität. Im Hintergrund sind weitere mit Japan-Motiven versehene Fächer zu sehen.
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Das Gemälde von Monet ist ein Zeitzeugnis davon, wie stark sich die französischen Impressionisten damals vom japanischen Kunsthandwerk beeinflussen liessen. Besonders die Farbholzschnitte hatten es den Malern angetan. Es war die Zeit des Japonismus. Heute ist La Japonaise im Besitz des renommierten Museum of Fine Arts in Boston.
Die Kimono-Idee aus Japan
In einer Wanderausstellung konnte das Werk in Japan bis vor kurzem mit grossem Erfolg bewundert werden. Looking East war der Titel dieser Japanismus-Ausstellung. Als interaktives Element liess der öffentliche Fernsehsender NHK Camilles Kimono mit denselben Mustern reproduzieren. Die Besucher durften diese anziehen und sich damit fotografieren lassen.
Die Aktion war ein derartig grosser Erfolg, dass das Bostoner Museum of Fine Arts nach der Rückkehr von La Japonaise dasselbe tat. Es lud die Besucher ein, die Kimonos anzuziehen, sich vor Camille fotografieren zu lassen und diese mit dem Hashtag #mfaBoston über Twitter zu verbreiten.
Es war als amüsantes, interaktives Element geplant, wie es heutzutage üblich ist und in Japan erfolgreich vorgemacht wurde. Die Besucher sollten sich in das Japonismus-Gefühl der 1870er in Paris zurückversetzt fühlen. Was in Japan gut klappte, sollte auch in den USA funktionieren, war die Ansicht.
Der Protest in den USA
Doch der Schuss ging nach hinten los. Eine Gruppe von asiatisch-stämmigen Amerikanern formierte sich. In den Ausstellungsräumlichkeiten machten sie mit Protesttafeln ihrem Unmut Luft. Sie forderten das Museum auf, die Aktion zu stoppen. Dies sei nichts anderes als Rassismus, so der Vorwurf.
Asiatisch-stämmige Amerikaner würden in diesem Land entweder von den Medien ignoriert oder dann in Form von Klischeebildern wie Kung-Fu, Exotik, Mystik, Drachen-Frauen oder Prostituierte dargestellt, äusserte sich eine der Demonstrantinnen gegenüber dem Boston Globe. Dies habe nichts mit Kulturerziehung zu tun.
Der Protest wurde über die sozialen Medien weitergetragen und schliesslich auch auf die Facebook-Seite des Museums, wo sich viele Kommentare dem Vorwurf des Rassismus anschlossen.
Die Sichtweise der Asian-Americans
Tatsächlich fühlt sich die «Asian-American»-Gemeinde, von der ein Grossteil seit mehreren Generationen in den USA lebt, zu einem gewissen Grad diskriminiert. Im Gegensatz zu den weissen Amerikanern werden sie in normalen Alltagsgesprächen ständig nach ihrer Herkunft befragt (in diesem Video satirisch auf den Punkt gebracht) und nicht einfach als US-Bürger akzeptiert.
In Hollywood sind asiatische Darsteller bis heute unterrepräsentiert, auch wenn sich die Lage in den letzten Jahren etwas verbessert hat. Und wenn sie dann doch einmal erscheinen, dann müssen sie nicht selten als Yakuza-Bösewichte, Kung-fu-Meister oder schräge Klamauk-Asiaten hinhalten. Seriöse asiatisch-stämmige Hauptdarsteller sind bis heute rar gesägt.
Eine besonders harte Erfahrung musste ausserdem die japanisch-amerikanische Gemeinschaft während des Zweiten Weltkriegs machen. Als potentielle Feinde angesehen, wurden sie in Lager interniert (Asienspiegel berichtete). Es sind solche Empfindungen und Erfahrungen mit der Geschichte im eigenen Land, die zum Protest im Museum geführt haben. Ein Kimono kann in den USA, je nach Kontext, für mehr als nur ein Kleidungsstück stehen.
Die Reaktion des Museums
Nach einem ersten Zögern, reagierte das Museum of Fine Arts. In einer offiziellen Pressemitteilung entschuldigte sich die Leitung, gewisse Besucher damit beleidigt zu haben. Aus diesem Grund wurde die Kimono-Aktion gestoppt. Stattdessen dürfen die Besucher nun die Kleidungsstücke berühren und anschauen, jedoch nicht mehr anprobieren.
Die Lehre daraus: Was in Japan problemlos funktioniert, muss nicht unbedingt in den USA funktionieren.
Eine lange Kontroverse
Übrigens ist La Japonaise seit jeher ein Werk, das unter Experten kontroverse Debatten auslöst. Einige Kunsthistoriker sind der Meinung, dass Monet sich mit diesem Werk über die Japonismus-Bewegung lustig machte.
Doch inzwischen sehen andere Experten in diesem Gemälde nichts anderes als eine Form des «Orientalismus», ein klischierter Blick auf die damalige Kolonialwelt und somit ein Ausdruck der europäischen Überlegenheit. Andere wiederum sehen in Monets Arbeit eine gelungene Kunstform, um die damalige japanische Ästhetik den Europäern näher zu bringen. Eins ist sicher: La Japonaise lässt bis heute niemanden kalt.
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