Ver­rat mir dei­ne Blutgruppe

In Japan gibt es wohl kei­nen Small­talk, bei dem nicht die Fra­ge nach der eige­nen Blut­grup­pe auf­kommt. So sind A, B, O und AB für Japa­ner schick­sal­haf­te Buch­sta­ben. In den Augen der Japa­ner sagen sie alles über die Per­sön­lich­keit eines Men­schen aus.

Ent­spre­chend ist die Blut­grup­pe ein wich­ti­ger Fak­tor, wenn es um die Lie­be geht. In Tokio gibt es gar Speed-Dating-Ver­an­stal­tun­gen für Frau­en, die Män­ner einer bestimm­ten Blut­grup­pe ken­nen­ler­nen wollen.

Ganz gene­rell gilt der A-Typ als der boden­stän­di­ge, orga­ni­sier­te Mensch, der auf­op­fernd ist und sich ger­ne Sor­gen macht. Die Ent­schlos­se­nen und Selbst­be­wuss­ten haben die Blut­grup­pe O. AB-Typen sind aus­ge­gli­chen, vor­aus­schau­end, logisch den­kend, aber auch pfle­ge­be­dürf­tig und distan­ziert. Die Blut­grup­pe B wer­den als die frei den­ken­den, krea­ti­ven, aber auch ego­is­ti­schen Künst­ler­ty­pen angesehen.

Der schwie­ri­ge B-Typ

In einem hier­ar­chi­schen und orga­ni­sier­ten Land wie Japan wer­den die B-Typen ent­spre­chend kri­tisch beäugt. «Bei mei­nem ers­ten Job-Inter­view haben sie mich nach mei­ner Blut­grup­pe gefragt», erzählt ein Japa­ner mit der Blut­grup­pe B der BBC.

«Es stell­te sich her­aus, dass die Fir­ma schlech­te Erfah­run­gen gemacht hat­te mit einem Ange­stell­ten der Blut­grup­pe B. Ich habe aber den­noch den Job erhal­ten.» Für die Dis­kri­mi­nie­rung einer Per­son wegen ihrer Blut­grup­pe gibt es in Japan gar einen Aus­druck: Bura­ha­ra, ein Zusam­men­zug des Aus­dru­ckes Blood Type Harass­ment.

Ein zwei­fel­haf­tes Erbe

Die Beschäf­ti­gung mit der Blut­grup­pe stammt aus dem Japan der Zwi­schen­kriegs­jah­re, als die umstrit­te­ne Euge­nik, die in Nazi-Deutsch­land unter dem Begriff Ras­sen­hy­gie­ne bekannt war, vom Staat geför­dert wur­de. So unter­such­te auch das impe­ria­lis­ti­sche Japan die Blut­grup­pen ihrer Kolo­ni­al­völ­ker oder der indi­ge­nen Ainu.

Nach dem Zwei­ten Welt­krieg als wis­sen­schaft­lich gegen­stands­los ent­larvt, kam die Blut­grup­pen-Ana­ly­se in Ver­ruf. In den japa­ni­schen Köp­fen blieb sie jedoch hart­nä­ckig hän­gen. In den 1970er-Jah­ren erleb­te die Blut­grup­pen-Ana­ly­se, von ras­sis­ti­schen Unter­tö­nen ent­fernt, eine media­le und gesell­schaft­li­che Wie­der­auf­er­ste­hung. Heu­te ist die Blut­grup­pe in Japan, was in Euro­pa das Horo­skop ist.

Eine prak­ti­sches Hilfsmittel

Indem man über die Blut­grup­pe eines Freun­des oder Mit­ar­bei­ters spre­che, kön­ne man indi­rekt sei­ne Mei­nung über die­se Per­son kund­tun, sagt Jeff Kings­ton, Pro­fes­sor für Asi­en­stu­di­en an der Temp­le Uni­ver­si­ty in Tokio gegen­über der BBC. Dies sei beson­ders will­kom­men in einem Land wie Japan, wo Offen­heit nicht immer gou­tiert wer­de. ja.