Ein Streit um natio­na­le Symbole

Stehen und singen: Eine Schulzeremonie in Japan.
Ste­hen und sin­gen: Eine Schul­ze­re­mo­nie in Japan. flickr/​amirijina

1999 schuf das japa­ni­sche Unter­haus ein Gesetz, das die japa­ni­sche Flag­ge Hino­ma­ru und die Natio­nal­hym­ne Kimi­gayo zu offi­zi­el­len Sym­bo­len des Lan­des mach­te. Basie­rend dar­auf erliess das Bil­dungs­mi­nis­te­ri­um eine Ver­ord­nung, die besag­te, dass bei wich­ti­gen Schul­ze­re­mo­ni­en die Flag­ge fei­er­lich gehisst wer­de und Schü­ler wie Leh­rer die Natio­nal­hym­ne dazu sin­gen müss­ten. In der Prä­fek­tur Tokio droht den Leh­rern gar der Ver­lust ihrer Arbeit, soll­ten sie sich die­ser Ver­ord­nung widersetzen.

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Der Ent­scheid lös­te eine Kon­tro­ver­se aus, die bis heu­te kein Ende fried­li­ches Ende gefun­den hat. Sowohl Hino­ma­ru wie auch Kimi­gayo wur­den in Japans Vor­kriegs­zeit insti­tu­tio­na­li­siert. Ein Gross­teil der Leh­rer lehnt sie aus die­sem Grund als impe­ria­lis­ti­sche Sym­bo­le ab, die den Kai­ser ver­eh­ren (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Mit die­ser Ver­ord­nung wer­de die in der Ver­fas­sung garan­tier­te Mei­nungs­frei­heit ver­letzt. Zudem sei dies eine rechts­wid­ri­ge Ein­mi­schung in die Erzie­hung. Kon­ser­va­ti­ve Poli­ti­ker ver­tei­di­gen die Rege­lung als gesun­de För­de­rung des Patriotismus.

Leh­rer rei­chen Kla­ge ein

Über 400 Lehr­per­so­nen wur­den seit­her bestraft, weil sie sich wei­ger­ten der Ver­ord­nung Fol­ge zu leis­ten. Der Tokio­ter Leh­rer Katsu­hi­sa Fuji­ta wur­de 2006 gar von einem Gericht zu einer Geld­stra­fe von 200’000 Yen (1790 Euro) ver­ur­teilt, weil er die Anwe­sen­den bei einer Schul­ze­re­mo­nie auf­for­der­te, wäh­rend der Natio­nal­hym­ne sit­zen zu bleiben.

Schliess­lich reich­ten rund 395 Leh­rer Kla­ge gegen die Prä­fek­tur Tokio ein und beka­men Recht. So nahm ein Bezirks­ge­richt in Tokio im Jahr 2006 die bestraf­ten Leh­rer in Schutz. Es erklär­te, dass Dis­zi­pli­nar­stra­fen gegen Lehr­per­so­nen, die sich wei­gern die Natio­nal­hym­ne zu sin­gen, nicht ver­fas­sungs­ge­mäss sei­en. Die Klä­ger sei­en zu entschädigen.

Eine «ver­nünf­ti­ge» Anordnung

Die Prä­fek­tur­re­gie­rung unter Gou­ver­neur Shin­t­a­ro Ishiha­ra leg­te in der Fol­ge Beru­fung ein. Tokios Obers­tes Gericht hat jetzt, über 5 Jah­re spä­ter, das Urteil des Bezirks­ge­richts gekippt. Das His­sen der Flag­ge und das Sin­gen der Natio­nal­hym­ne sei­en «ver­nünf­ti­ge» Anord­nun­gen der Tokio­ter Regie­rung. Damit wer­de weder gegen die Mei­nungs­frei­heit noch das Erzie­hungs­ge­setz ver­stos­sen, heisst es in der Urteil­be­grün­dung. Aus­ser­dem hät­ten die Natio­nal­flag­ge wie auch die Hym­ne schon vor 1999 im Sin­ne des Gewohn­heits­rechts als offi­zi­el­le Sym­bo­le des Lan­des gegolten.

Die Klä­ger zei­gen indes kein Ver­ständ­nis für die Begrün­dung des Obers­ten Gerichts von Tokio. Sie haben ange­kün­digt, Beru­fung ein­zu­le­gen und damit den Fall vor das Ver­fas­sungs­ge­richt zu ziehen.

Update, 31. Mai 2011

Das Ver­fas­sungs­ge­richt hat der Tokio­ter Prä­fek­tur­re­gie­rung Recht gege­ben. Leh­rer und Schü­ler dürf­ten gemäss Ver­fas­sung dazu auf­ge­for­dert wer­den zur Natio­nal­hym­ne auf­zu­ste­hen und zu sin­gen, urteil­ten die Rich­ter ein­stim­mig. Zwar wür­den somit die Mei­nungs­frei­heit zu einem gewis­sen Grad «indi­rekt ein­ge­schränkt». Dies sei aber noch «in einem akzep­ta­blen Aus­mass», betrach­te man «die Not­wen­dig­keit und die Ratio­na­li­tät» einer sol­chen Ver­pflich­tung, heisst es in der Urteilserklärung.

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