Japan stellt die Weichen
Premierminister Shinzo Abe ist wie erwartet der grosse Sieger der Oberhauswahlen, bei denen die Hälfte der 242 Sitze neu bestellt wurden. Die Regierungspartei der Liberaldemokraten (LDP) wird zusammen mit dem langjährigen Koalitionspartner New Komeito ab sofort auch in der kleinen Kammer das Sagen haben.
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Gemäss NHK News kommen die beiden Parteien zusammen auf 135 Sitze. Damit haben sie eine komfortable Mehrheit. Die LDP alleine erhält nach bisherigen Auszählungen 115 Sitze. Nicht viel hat gefehlt und sie hätte zum ersten Mal seit 1989 wieder in beiden Häusern eine alleinige Mehrheit besessen.
Die Demokratische Partei (DPJ), die bisher im Oberhaus noch die stärkste Partei war, muss derweil eine herbe Niederlage einstecken. Als grösste Oppositionspartei verfügt sie nur noch über 59 Sitze.
Abes neue Handlungsfreiheit
Mit dem Sieg der LDP haben die Japaner die politischen Weichen für die nächsten Jahren gestellt, auch wenn die vergleichsweise tiefe Wahlbeteiligung von 52,6 Prozent eine anderes Bild suggeriert.
Für Shinzo Abe sind die zunächst mal die Chancen rapide gestiegen, auch die nächsten drei Jahre Premierminister zu bleiben. Seit Yasuhiro Nakasone in den 1980er-Jahren war einzig Junichiro Koizumi mindestens drei Jahre Regierungschef.
Der Premierminister hat nun eine bequeme Mehrheit, um wichtige politische Entscheide tatsächlich durchzusetzen. Das Oberhaus wird der LDP künftig keine Steine mehr in den Weg legen können.
Diese Handlungsfreiheit braucht Abe dringend, um seine bereits gestartete Wirtschaftspolitik, von den Medien als Abenomics betitelt, auch tatsächlich umsetzen zu können, denn die heiklen politischen Entscheide stehen erst an.
Heikle Entscheidungen
So möchte der Premier, dass Japan dem asiatisch-pazifischen Freihandelsabkommen TPP beitritt. Das Abkommen könnte dem Wirtschaftswachstum einen Schub im Wert von rund 30 Milliarden US-Dollar geben. Widerstand kommt hier vom Landwirtschaftssektor, einer wichtigen Wählerbasis der LDP.
Der Premier wird bis im April auch entscheiden müssen, ob er die Mehrwertsteuer tatsächlich von derzeit 5 auf 8 Prozent anheben möchte. Viele eigene Parteileute befürchten, dass das soeben gewonnene Konjunkturhoch zunichte gemacht werden könnte. Der Premierminister wird viel Verhandlungsgeschick brauchen, um die Grabenkämpfe innerhalb der LDP zu verhindern.
Die Frage der Verfassungsänderung
Die Änderung der Friedensverfassung ist ein weiterer erklärtes Ziel von Abe. Er wünscht sich eine Verfassung ohne den Kriegsverzichtsartikel 9 und mit einem Artikel, der den Tenno nicht zum bedeutungslosen Symbol, sondern zum Staatsoberhaupt erklärt. Japan soll in den Augen des Premiers wieder eine stärkere politische, wirtschaftliche und militärische Vorreiterrolle in Asien übernehmen.
Eine Revision scheiterte bislang an der notwendigen Zweidrittelmehrheit im Unterhaus, wie sie der Artikel 96 vorschreibt. Diese Hürde will Abe zuerst beseitigen. Eine Änderung des Artikels 96, so seine Hoffnung, würde noch eher Zuspruch unter allen Abgeordneten erhalten. Danach erst soll der Artikel 9 fallen, so sein Kalkül (Asienspiegel berichtete).
Selbst der heutige Wahlsieg im Oberhaus hat ihm jedoch keine Zweidrittelmehrheit gesichert. So möchte Koalitionspartner New Komeito an der Friedensverfassung festhalten. Eine Mehrheit der Bevölkerung interessiert sich zudem nur wenig für diese Frage (Asienspiegel berichtete).
Entsprechend zurückhaltend gab sich Abe laut der Asahi Shimbun nach dem Wahlsieg. Eine weitere Diskussion über die Verfassung sei notwendig, man wolle dies aber in Ruhe tun.
Die Nuklearfrage
Auch bei der AKW-Frage möchte der Premierminister vorwärts machen. Noch immer ruhen 48 der 50 Reaktoren. Abe möchte lieber heute als morgen die Reaktoren wieder hochfahren. Es liegt alleine an der Nuklearen Regulierungsbehörde, den Entscheid zum Wiederhochfahren eines Reaktors zu fällen.
Shinzo Abe wird auch in dieser Frage Vorsicht walten lassen. Er weiss, dass er sich hier viel Kredit verspielen kann, denn die AKW-Skepsis in der Bevölkerung ist ungebrochen gross (Asienspiegel berichtete).
Wirtschaft als Hauptfokus
Der langjährige politische Stillstand in Japan ist mit diesen Oberhauswahlen behoben. Dies war wohl das wichtigste Anliegen der Wähler. Die Erwartungen an die Regierung sind im Gegenzug sehr konkret.
Gemäss einer Umfrage der Asahi Shimbun wollen 50 Prozent, dass der Hauptfokus der Politik auf dem Wirtschaftswachstum liegt. Shinzo Abe tut gut daran, sich an diese Empfehlung zu halten.
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