Japans sinkende Selbstmordrate

Japan verzeichnet seit Jahren eine der höchsten Selbstmordraten der Welt. Die anhaltende wirtschaftliche Stagnation der zwei letzten Jahrzehnte hat die Lage verschlimmert. Zwischen 1998 und 2010 wurde jährlich über 30’000 Suizide gezählt. Der tragische Höhepunkt wurde 2003 erreicht, als rund 34’000 Selbstmorde verzeichnet wurden.
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Doch nun scheint sich die Lage etwas zu verbessern. 2012 nahmen sich laut einem Vorbericht der Nationalen Polizeibehörde 27’195 Menschen das Leben, davon waren 70 Prozent Männer. Im Vergleich zum letzten Jahr entspricht dies einer Abnahme von 663 Fällen.
Auch wenn die Zahl der Suizide noch immer erschreckend hoch ist, gibt es eine Tendenz, die hoffnungsvoll stimmt: Es ist immerhin das zweite Jahre in Folge, dass die kritische Schwelle von 30’000 nicht überschritten wurde.
Der Wirtschaftsfaktor
Die Zahl der Selbstmorde wird auch als Gradmesser für den wirtschaftlichen Zustand des Landes gesehen, denn der Verlust der Arbeitsstelle führt in Japan nicht selten zu einer tragischen Kettenreaktion.
Nach der finanziellen Not kommt die Isolierung vom sozialen Umfeld. Der Bezug von Sozialhilfe wird von vielen als Schande betrachtet (Asienspiegel berichtete). Der Freitod wird zur letzten Option.
Eine frühere Statistik der Regierung ergab in diesem Zusammenhang, dass der Montag im März jeweils der Zeitpunkt mit der höchsten Selbstmordrate sei. Der März ist jeweils der letzte Monat des Geschäftsjahres und der Montag der Neubeginn einer Woche. Diese «Wendepunkte» des Berufsalltags sind daher besonders kritisch (Asienspiegel berichtete). Über Zweidrittel der Selbstmorde in Japan werden übrigens von Männern begangen.
Rettet Abenomics Leben?
Die verbesserte konjunkturellen Lage kann als eine mögliche Erklärung für den leichten Rückgang dienen. Laut der Polizeibehörde sind im letzten Jahr weit weniger Selbstmorde aus beruflichen oder finanziellen Gründen erfolgt, soweit man dies zurückverfolgen kann. Über die genaueren Motive und die Tendenzen in den verschiedenen Altersgruppen soll im März ein detaillierter Bericht publiziert werden.
Die verbesserte Lage ist aber auch mit der verbesserten staatlichen Präventionsarbeit zu erklären. Seit 2009 erhalten die lokalen Behörden eine finanzielle Unterstützung des Staates. Ein weiterer Grund ist zudem die zunehmende gesellschaftlichen Sensibilisierung.
Ein weiter Weg
Trotz des Trendumschwungs hat Japan einen weiten Weg vor sich. Mit 27’195 Selbstmorden liegt man immer noch weiter über dem Durchschnitt früherer Jahre. Zwischen 1978, als diese Statistik erstmals erhoben wurde, und 1998 belief sich die Zahl der Suizide auf 20’000 und 25’000 Fälle. Nur schon ein Rückgang zu diesen Werten wäre ein Erfolg.
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