17 Jahre unschuldig im Gefängnis
Nach 17 langen Jahren im Gefängnis ist Toshikazu Sugaya ein gebrochener Mann, wie die Irish Times berichtet. Seine Eltern sind vor Jahren gestorben, seine Geschwister wollen nichts mehr mit ihm zu tun haben und noch heute fängt der heute 62-jährige an zu zittern, wenn er an den Wintermorgen vor 18 Jahren denkt, als die Polizei bei im vorfuhr.
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Ein ganzes Jahr lang hatten ihn die Polizeibeamten in Ashikaga etwas über eine Stunde nördlich von Tokio beobachtet. Nun waren sie überzeugt, den Mann gefunden zu haben, der 1990 die 4-jährige Mami Matsuda vergewaltigt und ihren leblosen kleinen Körper an einem Flussufer weggeworfen hatte.
Dubiose Ermittlungsmethoden
Auf Sugaya kamen die Ermittler, weil er die gleiche Blutgruppe wie der Täter hatte. Auch sein Persönlichkeitsprofil schien auf einen Lustmörder zu passen: Nach einer aufgrund von Potenzproblemen gescheiterten Ehe lebte der überaus schüchterne Mann allein und zurückgezogen. Er konsumierte Unmengen von Pornofilmen und arbeitete als Fahrer eines Kindergartenbusses, ganz in der Nähe potenzieller Opfer. Es fehlte nur noch der Beweis.
Im Juni 1991 fanden die Polizeibeamten schliesslich in seinem Abfallkübel, wonach sie so lange gesucht hatten: Ein Taschentuch, in welches Sugaya masturbiert hatte. Sugayas DNA wurde im Nationalen Institut für Polizeiwissenschaft mit einer damals noch weitgehend ungetesteten Methode mit der DNA aus dem am Tatort gefunden Sperma verglichen. Das Institut gab bekannt, die DNA sei die gleiche.
Keine Chance gegen das Justizsystem
Nach einem 13-stündigen Verhör ohne Essen, Wasser oder einem Anwalt hielt Sugaya dem Druck nicht mehr stand und legte ein Geständnis ab. Er sollte teuer dafür bezahlen, obwohl er später wiederrief. Nicht einmal sein Anwalt glaubte mehr an seine Unschuld und liess ihn im Stich. Sugaya hatte keine Chance und wurde 1993 zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
Japans Justizsystem steht national und international oft in der Kritik, weil ein Schuldgeständnis vor Gericht enormes Gewicht hat und die Polizei Verdächtige bis zu 23 Tage lang verhören kann. Der Anwalt darf beim Verhör nicht anwesend sein. Im Justizsystem sind Staatsanwaltschaft und Polizei im Vorteil und bei einer Verurteilungsrate von 99 Prozent fechten die Verteidiger Geständnisse nur selten an. «Es ist ein System, das für Missbrauch durch die Polizei massgeschneidert ist», sagt der Anwalt Takashi Takano.
Erst als der DNA-Experte Hiroshi Sato seine Hilfe anbot, erschien ein Silberstreif am Horizont. Sugaya schickte Sato in einem Brief heimlich ein Haar, mit welchem dieser einen privaten DNA-Test durchführte. Das Resultat ergab, dass Sugayas DNA nicht mit der des Täters übereinstimmte.
1997 ersuchte Sugaya aufgrund der geänderten Beweislage um einen neuen Prozess. Im Jahr 2000 wurde sein Gesuch abgelehnt, ein weiteres Gesuch wurde im Februar 2008 zurückgewiesen.
Späte Wende
Dann ordnete das Obergericht von Tokio Ende letzten Jahres plötzlich einen neuen DNA-Test an. Niemand weiss genau weshalb, doch der Fernsehsender NTV hatte den Fall vor zwei Jahren aufgerollt und zutage gebracht, dass seither in der gleichen Gegend vier weitere kleine Kinder ermordet wurden. Möglicherweise treibt dort ein Serientäter sein Unwesen, dessen Taten nie gesühnt werden. Denn die Fälle sind in der Zwischenzeit bereits verjährt.
Vor einem Monat wurde Sugaya, dessen Fall das Vertrauen in das japanische Justizsystem erschüttert hat, schliesslich freigelassen. Noch wartet er darauf, dass ihn der Staat offiziell für unschuldig erklärt, doch der Polizeipräsident der Präfektur hat sich bereits öffentlich entschuldigt, was äusserst selten ist. Sugaya hat die Entschuldigung angenommen, wartet aber weiter darauf, dass ihn die Polizeibeamten, die ihn damals verhörten, um Verzeihung bitten.
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