«Ganbatte kudasai»
Thomas Köhler marschiert von der Nordspitze Hokkaidos bis zur Südspitze Kyushus. 2900 Kilometer wird er bis im Dezember zu Fuss zurückgelegt haben, «um positive Signale aus Japan zu senden und zu zeigen, dass hier nicht alles Fukushima ist.» Denn Japan ist noch immer eine Reise wert, ist Reisefachmann Köhler mehr denn je überzeugt. In einem Blog hält er seine täglichen Erlebnisse fest. Und auch für Asienspiegel bloggt Thomas Köhler über die Reise seines Lebens.
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Ein Monat ist seit meinem Start in Kap Soya, dem nördlichsten Punkt Japans, vergangen. Die Nordinsel Hokkaido habe ich mit meiner Ankunft in der Hafenstadt Hakodate erfolgreich durchschritten. Hier legten die ersten ausländischen Handelsschiffe gegen Ende der Edo-Zeit (1603−1867) an. IN DER DRITTGRÖSSTEN STADT VON HOKKAIDO SPÜRT MAN DIE GESCHICHTE. Alte elegante Holzhäuser, in einem Mischstil zwischen europäischer und japanischer Architektur sind Zeugen davon. Die ersten japanischen Siedler hatten bereits im 15. Jahrhundert einen Handelsposten errichtet. Die Hafenstadt war gar zwischen Dezember 1868 und Juni 1869 die Hauptstadt der kurzlebigen Republik Ezo, wohin eine Gruppe von Loyalisten des untergehenden Shogunats flüchtete.
Aber auch die Gegenwart lässt die Geschichte nicht los. Von einer Fischverkäuferin erfuhr ich, dass auch Hakodate vom Tsunami nicht verschont blieb. EINE TAFEL ERINNERT AN DEN TSUNAMI VOM 11. MÄRZ. Heute ist Hakodate eine herausgeputzte, liebevoll gepflegte Hafenstadt, die man bei einer Japan-Reise unbedingt besuchen sollte. Dabei kann ich eine Fahrt mit der Hakodate Ropeway auf den Mount Hakodate wärmstens empfehlen. Bei Herrn Toshiyuki Yasuda, Tourismusverantwortlichter von Hakodate, möchte ich mich herzlich für die Gastfreundschaft bedanken.
VIEL GASTFREUNDSCHAFT
Hier wurde ich, nach meinem langen Fussmarsch durch die Nordinsel, herzlich empfangen. Im Hakodate Motomachi Hotel durfte ich zwei Nächte kostenlos übernachten. Herr Endo, der mich empfing, machte mit mir noch eine nächtlichte Stadtrundfahrt, die wir mit Takoyaki (Teigkugel mit einem Stück Tintenfisch) und einem kühlen Bier abrundeten.
Ganz allgemein werden die einsamen Tage immer seltener. Mein Projekt hat sich auch in Japan mittlerweile herumgesprochen. Bereits bei meinem Aufenthalt in der Hauptstadt Sapporo durfte ich sogar im Hotel Ramada kostenlos übernachten. Hotelmanager Keiji Ishimura war so grosszügig. Vielen Dank!
In der Hotellobby wurde ich von einem grossen Empfangskomitee, bestehend aus Vertretern der Japan Tourism Agency, des Verkehrs- und Tourismusministeriums und der Tageszeitung Hokkaido Shimbun, empfangen. Sie alle unterstützen mich bei meinem Weg durch Japan. Neben der Hokkaido Shimbun hat auch der International Channel Shanghai aus China ein Porträt über mich und mein Projekt gemacht.
BEGEGNUNG MIT HERRN KAZU
Auf meinem Weg Richtung Hakodate begegnete ich auch Weggefährten. Herr Kazu macht dieselbe Reise wie ich. Gleich 2 Mal haben wir auf dem gleichen Zeltplatz übernachtet. Zwischen Boyonakayama und Rusutsu durfte ich noch einmal die beeindruckende Landschaft dieser noch an vielen Orten unberührten Insel bewundern. Endlose Felder, Wälder und Berge säumten meinen Marsch in den Süden.
UND IMMER WIEDER GENIESSE ICH DAS HERRLICHE ESSEN. Eine gute Ramen-Nudelsuppe, Tintenfische und herrliche süsse Melonen, sorgen regelmässig dafür, dass sich mein Salz- und Vitaminhaushalt einpendelt und mir Kraft geben für meine Reise durch Japan. Das abendliche Bier ist jeweils meine Belohnung für den anstrengenden Fussmarsch.
DER LANGE TUNNEL
Leider musste ich feststellen, dass man bei einer Reise zu Fuss immer wieder tückischen Situationen begegnet. Zwischen Toyoura und Oshamanbe bemerkte ich plötzlich, dass kein Weg an einem langen Tunnel vorbeiführte. Ich zögerte. EIN LANGER TUNNEL IST GEFÄHRLICH, SCHON EINMAL HABE ICH MIR DAS ANGETAN. Der Gehweg ist weniger als einen Meter breit, die Luft schlecht, der Geräuschpegel hoch und die vorbeifahrenden Autos äusserst gefährlich. «Mach das nicht noch einmal», sagte ich mir, ging ins nächste Dorf zurück, wo ich den nächsten Zug bestieg, der mich bis ans Ende des Tunnels führte, wo ich meinen Fussmarsch fortsetzen konnte.
EINE SCHÖNE BEGEGNUNG
Neben all diesen eindrücklichen Gesprächen, heiklen Situationen und schönen Erlebnisse, bleibt mir eine Begegnung auf Hokkaido besonders gut in Erinnerung. Kaum 2 Kilometer hatte ich von Oshamanbe zurückgelegt, als ich eine Kinderstimme «Ganbatte kudasai» (Geben Sie ihr Bestes!) hinter mir rufen hörte. Es war ein kleiner Junge, der ein T-Shirt mit der Aufschrift «Save Japan» trug. Seine Eltern hatten das Auto gleich neben mir parkiert. Der Junge kam mir entgegen und streckte mir ein eisgekühltes Sportgetränk entgegen. «HIER FÜR SIE UND EINE GUTE REISE», wünschte er mir.
Immer wieder denke ich über diese wundervollen spontanen Begegnungen nach und freue mich wirklich sehr, so viele hilfsbereite Leute kennen zu lernen. Von Tag zu Tag wird mir bewusster, dass Japan alles daran setzt, diese Krise zu überstehen und ich bin mir auch sicher, dass es Japan gelingen wird.
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