Der gros­se Schwei­zer in Japan

Die Schweiz und Japan fei­ern 150-jäh­ri­ge diplo­ma­ti­sche Bezie­hun­gen. Für Asi­en­spie­gel ist dies Anlass, Per­sön­lich­kei­ten zu por­trä­tie­ren, wel­che abseits der klas­si­schen Vor­stel­lun­gen die­se Freund­schaft geprägt haben.

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Saly Weil und seine Mitarbeiter im New Grand Hotel in Yokohama.
Saly Weil und sei­ne Mit­ar­bei­ter im New Grand Hotel in Yokohama.

1927 ent­schied sich der Ber­ner Saly Weil sei­ne Zel­te in Euro­pa abzu­bre­chen. Das neu eröff­ne­te Yoko­ha­ma Hotel New Grand hat­te ihn als Chef­koch geru­fen. Nur vier Jah­re zuvor hat­te das ver­hee­ren­de Kan­to-Erd­be­ben die Regi­on Tokio und Yoko­ha­ma dem Erd­bo­den gleich­ge­macht. Das Hotel New Grand soll­te zum Sym­bol des Wie­der­auf­baus wer­den, wo man die aus­län­di­schen Gäs­te mit allem Glanz emp­fan­gen konnte.

Der 1897 gebo­re­ne Saly Weil schien der per­fek­te Mann, um die west­li­che, ins­be­son­de­re die fran­zö­si­sche Küche in Japan bekannt zu machen. Schon früh war der Sohn einer jüdi­schen Fami­lie aus Bern aus­ge­zo­gen, um als Koch auf einem hol­län­di­schen Schiff und in Frank­reich zu arbei­ten. Weil galt als Bewun­de­rer der Schu­le des Meis­ter­kochs Augus­te Escof­fier. 1926 arbei­te­te er in einem Hotel in Paris, als die Anfra­ge aus Japan kam.

Und so begann Saly Weils ein­ma­li­ge Kar­rie­re als Chef­koch im Hotel New Grand in Yoko­ha­ma, wo er in den fol­gen­den Jah­ren die japa­ni­sche Gas­tro­no­mie nach­hal­tig prä­gen soll­te. Sei­nen japa­ni­schen Ange­stell­ten lehr­te er die Geheim­nis­se der fran­zö­si­schen Koch­kul­tur, die anspruchs­vol­len Gäs­te schätz­ten sei­ne Arbeit. Fast zwan­zig Jah­re blieb er dem Hotel treu.

Das New Grand Hotel in Yokohama mit dem historischen Teil vorne und dem Neubau hinten.
Das New Grand Hotel in Yoko­ha­ma mit dem his­to­ri­schen Teil vor­ne und dem Neu­bau hin­ten. Foto: wiki­me­dia

Der Erfin­der der Doria

Das Menü im New Grand Hotel umfass­te eine Aus­wahl euro­päi­scher Klas­si­ker. Saly Weil hat­te aber auch eine krea­ti­ve Ader. Denn die typisch japa­ni­sche Spei­se Doria ist eine Erfin­dung des Ber­ners. Das Gericht ist eine Inter­pre­ta­ti­on des fran­zö­si­schen Gra­tins. Anstatt Kar­tof­feln wird Reis als Grund­zu­tat ver­wen­det. Hin­zu kom­men Garnelen.

Der Schwei­zer Chef­koch impro­vi­sier­te das Gericht auf Wunsch eines Gas­tes, der sich nicht wohl fühl­te und sich ein bekömm­li­ches Essen wünsch­te. Weils Mee­res­früch­te-Doria ist Jahr­zehn­te spä­ter zu einem Klas­si­ker gewor­den und wird heu­te noch im Hotel New Grand ser­viert. Seit vie­len Jah­ren bie­tet auch die popu­lä­re Restau­ran­ket­te Sai­ze­riya eine «Mira­no fuu doria», eine «Doria nach Mai­län­der Art», an. Kein Wun­der glau­ben vie­le Japa­ner heu­te, das Gericht stam­me aus Ita­li­en und nicht aus Japan (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Auch das in Japan all­seits belieb­te Ham­ba­gu-Gericht, ein Ham­bur­ger-Steak mit einer Demi-Glace-Sau­ce und gekoch­tem Gemü­se, ist auf Saly Weil zurück­zu­füh­ren. Unter der Füh­rung des Ber­ners ent­wi­ckel­te sich das Hotel New Grand schnell zur Top­adres­se für die euro­päi­sche Küche im Land.

Die von Weil erfundene japanische Speise Doria.
Die von Weil erfun­de­ne japa­ni­sche Spei­se Doria. Foto: flickr/​naka_​hide

Vor­trag über die «japa­ni­sche Küche und Sitten»

Auch in der Hei­mat Bern sprach sich Saly Weils Tätig­keit in Japan in den Ken­ner­krei­sen her­um. Der Cer­cle des Chefs de Cui­sine Ber­ne notiert in sei­ner His­to­rie, dass Saly Weil 1932 wäh­rend eines Auf­ent­halts in Bern ein Refe­rat über die «japa­ni­sche Küche und Sit­ten» hielt. Die Ver­ei­ni­gung der Ber­ner Küchen­chefs ernann­te ihn spä­ter zum Ehrenmitglied.

Saly Weils Schaf­fen hat in Japan tie­fe Spu­ren hin­ter­las­sen. Zahl­rei­che japa­ni­sche Ange­stell­ten von Saly Weil sorg­ten in den Jahr­zehn­ten nach dem Zwei­ten Welt­krieg dafür, dass sich das Kocher­be des Ber­ners in Japan ver­brei­te­te und wei­ter­ent­wi­ckel­te. Eini­ge von ihnen wur­den gar Chef­kö­che in den Tokio­ter Nobel­ho­tels Impe­ri­al, Oku­ra und Prince.

Auch das Hotel New Grand in Yoko­ha­ma wuss­te Weils Erbe wei­ter­zu­pfle­gen. Hier ent­stan­den in den Nach­kriegs­jah­ren wei­te­re west­li­che gepräg­te Japan-Klas­si­ker wie Pud­ding à la mode oder Spa­ghet­ti Napo­ri­tan (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Inter­na­tio­nal in die Schlag­zei­len kam das Hotel übri­gens, als Gene­ral Dou­glas McAr­thur hier sei­ne ers­te Nacht als Ober­kom­man­die­ren­der der Besat­zungs­trup­pen in Japan ver­brach­te. McAr­thur kann­te das Hotel bereits von sei­ner Hoch­zeits­rei­se 1937. Die Koch­küns­te von Weil waren wohl auch ihm damals nicht entgangen.

Rück­kehr in die Schweiz

Saly Weil sel­ber ver­brach­te die Kriegs­jah­re in Japan, kehr­te aber danach in die Schweiz zurück, wo er den Erfolg sei­ner Japan-Jah­re nicht mehr wie­der­ho­len konn­te. Den­noch brach die Ver­bin­dung zu Japan nie ab. Er bemüh­te sich aktiv, jun­gen japa­ni­schen Köchen eine Berufs­er­fah­rung in euro­päi­schen Restau­rants zu ermög­li­chen. Von ihnen soll er lie­be­voll als «Swiss Papa» bezeich­net wor­den sein.

In Japan wirkt Saly Weils Schaf­fen in der Form des Doria-Gerichts und der japa­ni­schen Wert­schät­zung für die euro­päi­sche Küche bis heu­te nach. Der Schwei­zer gilt als «der Vater der fran­zö­si­schen Küche in Japan». West­lich ange­hauch­te Gerich­te sind der­weil zu einem Merk­mal der japa­ni­schen Gas­tro­no­mie geworden.

Die japa­ni­sche Regie­rung ehr­te den Chef­koch 1973 mit dem fünf­ten Ver­dienst­rang des Ordens des Hei­li­gen Schat­zes. Nur drei Jah­re spä­ter, am 26. Juni 1976, ver­starb Saly Weil im Alter von 79 Jah­ren in der Schweiz, wo er für sei­ne Leis­tun­gen in Japan nie die gros­se Aner­ken­nung in der Öffent­lich­keit fand.

Mehr Infor­ma­tio­nen zu Saly Weils Schaf­fen fin­den Sie im Buch «Sho­dai Sou­ryou­richo Saly Weil» von Norio Kou­y­a­ma. Der japa­ni­sche Autor hat 2005 ein aus­führ­li­ches Buch über die Lauf­bahn des Ber­ner Chef­kochs geschrie­ben. Eine Saly Weil gewid­me­te Web­site fin­den Sie hier.

Das Buch über Saly Weil.
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