Abes kal­ku­lier­te Wortwahl

Abe bei seiner Rede vor dem US-Kongress.
Abe bei sei­ner Rede vor dem US-Kongress.

Shin­zo Abes Besuch bei US-Prä­si­dent Barack Oba­ma war ein Tref­fen unter Freun­den. Als ers­ter japa­ni­scher Pre­mier­mi­nis­ter durf­ter er gar vor bei­den Häu­sern des US-Kon­gres­ses (Joint Ses­si­on) spre­chen. Abe gab sich als loya­ler, dank­ba­rer Alliierter.

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In sei­ner Rede, die er auf Eng­lisch hielt (die vol­le Rede fin­den Sie hier), erzähl­te von sei­ner erfah­rungs­rei­chen Zeit als jun­ger Stu­dent in Kali­for­nen. Er lob­te die Gleich­heit in Ame­ri­kas Gesell­schaft, wo es nicht um Hier­ar­chie, son­dern um die bes­te Idee gehe. Die USA sei­en ihm gera­de wegen sei­ner Viel­falt als fan­tas­ti­sches Land in Erin­ne­rung geblieben. 

Abes Rede war zukunfts­ge­rich­tet. Er beton­te die wich­ti­ge Zusam­men­ar­beit mit den USA für Frie­den, Wohl­stand und Sicher­heit. Die Transpa­zi­fi­sche Part­ner­schaft, die Öff­nung von Japans Agrar­markt und die enge­re mili­tä­ri­sche Zusam­men­ar­beit waren die Haupt­the­men. Es waren The­men, bei denen Abe nicht viel falsch machen konnte.

Doch letzt­end­lich woll­te jeder wis­sen, wie Abe in Washing­ton über sei­ne Sicht auf den Zwei­ten Welt­krieg spre­chen wür­de. Der japa­ni­sche Pre­mier­mi­nis­ter voll­zog es mit viel diplo­ma­ti­schem Kalkül. 

Die Sicht auf den Krieg

«Die Geschich­te ist bru­tal. Was gesche­hen ist kann man nicht unge­se­hen machen», sag­te er bezüg­lich des schmerz­haf­ten Ver­lusts der Tau­sen­den ame­ri­ka­ni­schen Sol­da­ten und fuhr fort: «Im Namen des japa­ni­schen Vol­kes spre­che ich mit tiefs­tem Respekt mein ewi­ges Bei­leid für die See­len der Ame­ri­ka­ner aus, die im Zwei­ten Welt­krieg starben.»

Über Japans Kriegs­füh­rung in Asi­en sag­te Abe: «Nach dem Krieg star­te­ten wir unse­ren Weg stets mit dem Gedan­ken der tie­fen Reue über den Krieg. Unse­re Aktio­nen haben den Men­schen in den asia­ti­schen Län­dern Leid zuge­fügt. Wir dür­fen unse­re Augen davor nicht ver­schlies­sen. Ich wer­de die dies­be­züg­li­chen Ansich­ten der frü­he­ren Pre­mier­mi­nis­ter hochhalten.»

Damit gemeint ist auch die Erklä­rung des ehe­ma­li­gen Pre­mier­mi­nis­ters Tomiichi Mura­y­a­ma, der 1995 für die «kolo­nia­le Herr­schaft» und «Aggres­si­on Japans im Zwei­ten Welt­krieg» sei­ne «auf­rich­ti­ge Ent­schul­di­gung» zum Aus­druck brach­te. Alle nach­fol­gen­den Pre­miers haben sich an die­se Wort­wahl gehal­ten, ja selbst Abes poli­ti­scher Men­tor Juni­chi­ro Koizumi. 

Abe jedoch scheint es anders zu machen. Er betont zwar bei jeder Gele­gen­heit die frü­he­ren Erklä­run­gen hoch­zu­hal­ten, ver­zich­tet selbst jedoch, die Wor­te «Aggres­si­on» oder «Ent­schul­di­gung» in den Mund zu neh­men. Auch vor dem US-Kon­gress beliess er es beim «Schmerz», der «Reue» und dem «Bei­leid».

Die Zwangs­pro­sti­tu­ti­on

Ähn­lich geht Abe mit der soge­nann­ten Kono-Erklä­rung um. 1993 gestand die japa­ni­schen Regie­rung in einer offi­zi­el­len Stel­lung­nah­me ein, dass die japa­ni­sche Armee direkt am Sys­tem der Zwangs­pro­sti­tu­ti­on invol­viert gewe­sen sei. Dar­an haben sich alle nach­fol­gen­den Regie­run­gen gehal­ten. Auch in die­sem Punkt bleibt der aktu­el­le japa­ni­sche Pre­mier­mi­nis­ter lie­ber vage. Denn es ist kein Geheim­nis, dass er die staat­li­che Betei­li­gung an der Zwangs­pro­sti­tu­ti­on anzweifelt.

«Mili­tä­ri­sche Kon­flik­te haben immer dazu geführt, dass die Frau­en am meis­ten lei­den muss­ten. Wir müs­sen in unse­rem Zeit­al­ter eine Welt erschaf­fen, wo Frau­en end­lich frei von Men­schenrechst­ver­let­zun­gen sind», blieb sei­ne ein­zi­ge Andeu­tung zum The­ma Zwangs­pro­sti­tu­ti­on. Viel lie­ber sprach er von sei­ner Auf­ga­be die Frau­en in Japans Gesell­schaft zu stärken. 

Bidens Lob

Den USA gefiel Abes Rede. US-Vize­prä­si­dent Joe Biden bezeich­net sie als «sehr sehr takt­voll und aus­sa­ge­kräf­tig». Biden lob­te zudem das Mit­ge­fühl, dass Abe den asia­ti­schen Nach­barn ent­ge­gen­brach­te. Abe ist damit zumin­dest etwas gelun­gen: er hat sein Image des Geschichts­re­vi­sio­nis­ten zumin­dest in den USA etwas able­gen kön­nen. Wie Chi­na und Süd­ko­rea den kon­se­quen­ten Ver­zicht auf gewis­se essen­ti­el­le Wör­ter auf­fas­sen, ist eine ande­re Frage.

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