Staatlich genehmigte Überarbeitung
Ein 24-jähriger Japaner schuftete vor 3 Jahren regelmässig Überstunden. Von Januar bis August 2008 waren es durchschnittlich 123 Überstunden, die er monatlich für seinen Arbeitgeber, Shinko Plantech, mit bestem Gewissen leistete. Alleine im Juli 2008 vollbrachte er das Kunststück von 218 Überstunden, wie die Nikkei Shimbun berichtet. Nur einmal in den ersten 8 Monaten des Jahres musste der damals 24-jährige Manager weniger als die vom Staat maximal erlaubten 40 Überstunden leisten.
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19 Monate nach seiner Anstellung, im November 2008, verübte der 24-Jährige nach Anzeichen schwerer Erschöpfung schliesslich Selbstmord. Im September 2010 anerkannte das japanische Arbeitsministerium, dass es sich dabei um einen Todesfall durch Überarbeitung, auf Japanisch Karoshi, gehandelt hatte. Dieser Sachverhalt erlaubte den Angehörigen Schadenersatz vom Arbeitgeber einzufordern.
Klage gegen den Staat
Doch die Familie des verstorbenen Managers ist nun einen Schritt weitergegangen. Sie verklagt nicht nur den Arbeitgeber Shinko Plantech, sondern auch den Staat und will diesen somit direkt verantwortlich für den Tod ihres Familienangehörigen machen. Die japanische Regierung habe ihre Pflicht, die von Behörden bewilligten Arbeitsverträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beaufsichtigen, in gravierender Weise vernachlässigt, wird die Klage in der Mainichi Shimbun zitiert.
So habe Shinko Plantech mit der Firmengewerkschaft monatlich 150 bis maximal 200 Überstunden vertraglich vereinbart. Dies sei ein klarer Verstoss gegen das Arbeitsgesetz, der von der staatlichen Aufsichtsbehörde nicht geahndet wurde, argumentieren die Kläger weiter. Aus diesem Grund fordern sie vom Unternehmen und dem Staat eine Schadenersatzsumme in der Höhe von 130 Millionen Yen (1,15 Millionen Euro).
Zuversichtliche Kläger
Bei dieser Klage handelt es sich um ein Novum in der Wirtschaftsgeschichte Japans. Noch nie wurde die Regierung selber für den Tod durch Überarbeitung verantwortlich gemacht. Sein Ausgang könnte den staatlichen Umgang mit Überstunden privater Unternehmen entscheidend verändern.
Hidoyuki Hara, einer der Anwälte der Kläger, zeigt sich zuversichtlich. Immerhin habe der 24-Jährige mehrfach 150 und mehr Überstunden pro Monat geleistet. Da müsse doch eine Behörde stutzig werden, argumentiert Hara gegenüber dem Wall Street Journal. Zwar dürfe die Bauindustrie, zu der Shinko Plant gehört, als Ausnahmefall mehr Überstunden als andere Branchen vereinbaren. Doch 200 Stunden seien beim besten Willen nicht mehr normal.
Zuversichtlich dürfte die Kläger auch stimmen, dass die Gerichte in den letzten Jahren zumeist im Sinne der Angehörigen der Karoshi-Opfer entschieden haben. In einem ähnlich aufsehenerregenden Fall wurde im Mai 2010 gar die gesamte Chefetage eines Unternehmens für den Tod durch Überarbeitung eines Mitarbeiters verantwortlich gemacht (Asienspiegel berichtete).
40 Überstunden erlaubt
Laut japanischem Arbeitsrecht gilt ein 8-Stunden-Tag bei 5 Arbeitstagen pro Woche. Zusätzliche Arbeitsstunden müssen als Überstunden verrechnet werden. Erlaubt sind 40 Überstunden pro Monat. In Spezialfällen können Unternehmen anhand einer Bewilligung 45 Stunden einfordern. Die Baubranche darf als Ausnahmefall gar noch höher gehen.
Dem Arbeitsministerium unterliegt die Aufgabe diese Vorgaben zu bewilligen und zu beaufsichtigen. Ausserdem gilt laut dieser Behörde die Richtlinie, dass 80 monatliche Überstunden während zwei Monaten am Stück lebensgefährlich seien.
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