Kōyasan: Überarbeitung im Tempel
Einst war die Tempelübernachtung für die buddhistischen Mönche und Pilger vorgesehen. Heute zieht Shukubō, wie diese Form der Bleibe auf Japanisch heisst, immer mehr Touristen an (Asienspiegel berichtete). Das bekannteste Beispiel ist der Berg Kōya in der Präfektur Wakayama. Der UNESCO geschützte Ort zählt 117 Tempel, wovon 52 Shukubō anbieten. In dieser speziellen Umgebung hat man die Gelegenheit, die traditionelle japanische Kultur noch intensiver zu erleben. Für manche ausländische Touristen ist es gar das ultimative Japan-Erlebnis, bei man den frühmorgendlichen Gebeten oder den Zazen-Meditationsübungen beiwohnen darf. Entsprechend haben sich die Shukubō-Übernachtungszahlungen von ausländischen Gästen auf dem Kōyasan innerhalb von 3 Jahren von 19‘000 auf 56‘000 verdreifacht, wie die Nikkei Shimbun berichtet.
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Für die Mönche ist der Aufwand entsprechend gross. So gross, dass einer nun beim Bezirksgericht von Wakayama Klage wegen Überarbeitung eingereicht hat. Der Mönch arbeitete zwischen 2008 und 2016 in einem Tempel, wo er sich um die Gäste kümmerte und anderen Aufgaben nachging. 2015 musste er einmal 64 Tage und ein weiteres Mal 32 Tage hintereinander arbeiten. Freie Tage gab es nicht. Ein Arbeitstag fing jeweils um 5 Uhr morgens an und dauerte bis spät in die Nacht hinein. Der Mönch entwickelte daraufhin Depressionen und musste 2016 seine Arbeit aufgeben. Er fordert nun eine Entschädigung in Höhe von 8,6 Millionen Yen (80‘000 Euro), wie die Mainichi Shimbun berichtet. Bei der Klage geht es ihm vor darum, mit einem Tabu zu brechen. So wird die Arbeit des Mönchs ausschliesslich als geistige und körperliche Ausbildung angesehen. Über das Thema Überarbeitung wird daher kaum gesprochen, selbst wenn ein Mönch faktisch in einem Angestelltenverhältnis mit dem Tempel lebt.
Der Tod durch Überarbeitung
In der normalen japanischen Arbeitswelt wird diese Problematik seit einigen Jahren vermehrt öffentlich thematisiert (Asienspiegel berichtete). Fälle von Überarbeitung, die zum Tod geführt haben (jap. karoshi), können dem Ansehen einer Firma inzwischen gar schwer schaden, wie dies 2016 mit der renommierten Werbeagentur Dentsu geschah (Asienspiegel berichtete). Die staatlichen Behörden haben das Problem erkannt und versuchen mit gutem Beispiel voranzugehen, indem sie Überstunden in der Bürokratie möglichst zu verhindern versuchen (Asienspiegel berichtete). Und trotzdem gibt es noch viel zu tun. Denn die Kultur der ständigen Präsenz und Bereitschaft am Arbeitsplatz ist an zu vielen Orten noch immer wie selbstverständlich Teil der japanischen Wirtschaftswelt (Asienspiegel berichtete).
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