Keine Kinder, keine Kreide
Trotz der Digitalisierung aller möglichen Bereiche des Lebens hat die Kreide im Schulzimmer wie durch ein Wunder bis heute überlebt. In Japans öffentlichen Schulen ist die schwarze Wandtafel noch immer anzutreffen. Ja, für Lehrer und Schüler ist sie sogar ein Mittel zur künstlerischen Entfaltung geworden, wie die unzähligen Twitter-Posts von Wandtafel-Kunstwerken zeigen (Asienspiegel berichtete).
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Und dennoch macht auch dieses scheinbar nicht unterzukriegende Lehrmittel schwierige Zeiten durch, wie der Niedergang von Hagoromo Bungu aus Nagoya zeigt. Das Unternehmen aus Nagoya produziert seit über 80 Jahren Kreide für die Schulen. Doch nun ist Schluss damit, wie Firmenpräsident Takayasu Watanabe in einer Pressemitteilung verkündete.
Im Februar 2015 soll die letzte Kreide produziert, im März noch die letzten Verkäufe abgewickelt werden. Danach wird Hagoromo Bungu Geschichte sein. Der Grund für das plötzliche Aus ist das Ende des Monopols der klassischen Wandtafel. Laptop und Tablets sowie die alternative, einfacher zu unterhaltende weisse Wandtafel sind zu harten Konkurrenten im Schulzimmer geworden. Die Kreide hat nicht mehr die Priorität, die sie einst genoss.
Zu wenig Kinder
Die sinkende Nachfrage hat aber auch mit einem gesellschaftlichen Phänomen zu tun, wie Präsident Watanabe schreibt. Die sinkende Geburtenrate hat zu einer Schliessung von zahlreichen Schulen geführt. Gerade auf dem Land kämpft man bereits heute gegen den akuten Bevölkerungsrückgang (Asienspiegel berichtete).
Die Schliessung des 1873 eröffneten Schulhauses Fukiya in der japanischen Stadt Takashi wegen Kindermangels wurde vor zwei Jahren zu einem stellvertretenden Beispiel für das akute Problem (Asienspiegel berichtete). Und wenn ein Land keine Kinder mehr hat, dann braucht es auch keine Kreide mehr. Präsident Watanabe hat zudem vergeblich nach einer Nachfolgelösung gesucht, wie er betont. So habe er sich schliesslich für die Einstellung der Kreide-Produktion entschieden.
Ein kleines Stück Industriegeschichte
Damit geht auch ein Stück japanische Industriegeschichte zu Ende. 1932 wurde das Unternehmen in Nagoya gegründet. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Fabrik zerstört und 1947 unter dem heutigen Namen wieder aufgebaut. Hagoromo Bungu entwickelte ganz unterschiedlichen Kreiden.
Einen Namen machte es sich mit einer Kreide, die an den Händen keine Spuren hinterlässt. Rund 30 Prozent Marktanteil hatte das Unternehmen in Japan, jährlich 45 Millionen Kreidestücke produzierte es jährlich. Trotzdem sanken Umsatz und Gewinn. Am Ende reichte es nicht, um die Zukunft zu sichern.
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