Japans Geschenkkultur in der Krise
Reisende in Japan, die geschäftlich oder privat unterwegs sind, decken sich fleissig mit Geschenken ein. Omiyage heissen diese obligaten Mitbringsel, die man nach der Heimkehr der Familie und den Arbeitskollegen schenkt. Die entsprechenden Souvenirläden befinden sich in Bahnhöfen, Flughäfen, Kaufhäusern und bei Sehenswürdigkeiten. Den Kauf eines Omiyage zu vergessen, ist so praktisch ausgeschlossen.
Einst waren nicht verderbliche Waren der Standard. Heutzutage handelt es sich zumeist um lokale kulinarische Spezialitäten, die in schönes Geschenkpapier verpackt angeboten werden. Denn beim Omiyage zählt nicht nur der Inhalt, sondern auch die Präsentation.
Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs.
Eine Branche in der Krise
Mit dem Corona-Notstand gerät diese Kultur in die Krise. Die Zahl der Geschäftsreisen ist rückläufig. Für die Omiyage-Branche hat diese Entwicklung direkte Auswirkungen. Dies verdeutlicht der Zustand des populären Mitbringsels Unagi-Pie, das in den Präfekturen Shizuoka und Aichi erhältlich ist. Der Hersteller dieses Süssgebäcks hat angekündigt, die Produktion zu reduzieren.
Seit Beginn der Pandemie stocken die Verkäufe. Während drei bis vier Tagen pro Woche stehen die Maschinen daher still. Der Online-Handel ist kaum eine Alternative, da das Gebäck zerbrechlich ist. Schon beim ersten Notstand musste die Produktion zeitweise eingestellt werden.
Wenn selbst der Unagi-Pie-Verkauf stockt, dann bedeutet dies nichts Gutes. Immerhin ist dieses Süssgebäck zusammen mit der aus Reis hergestellten Süssigkeit Yatsuhashi aus Kyoto, den Keksen Shiroi Koibito aus Sapporo und dem Kuchen Castella aus Nagasaki regelmässig unter den vier beliebtesten Omiyage im Land.
Ein Klassiker unter den Omiyage
Unagi-Pie («Aal-Kuchen») stammt aus der Stadt Hamamatsu in der Präfektur Shizuoka. Die Stadt ist die Heimat der Aal-Speisen. Das lokale Konditorei-Unternehmen Shunkadō verwandelte diese kulinarische Tradition in ein Süssgebäck und liess sich dabei von der französischen Süssigkeit Palmiers (Dessert-Preussen / Prussiens / Schweinsohren) inspirieren. Der Geschmack ähnelt tatsächlich dem europäischen Vorbild, mit dem wesentlichen Unterschied, dass im Unagi-Pie ein wenig Aal-Pulver und Knoblauch steckt.
Das Süssgebäck von Shunkadō kam 1961 auf den Markt und wurde in Nu zu einem Erfolg, auch dank der Eröffnung des Tokaido-Shinkansen 1964. 1966 wurden schon über 10 Millionen Stück verkauft. Der legendäre Slogan Yoru no Okashi – oder «A Snack for Nights» wie es auf Englisch auf der Packung heisst – trug dazu bei, dass Unagi-Pie zu einem Klassiker unter den Omiyage wurde. Viele verstanden den Spruch als eine Andeutung für ein energie- und potenzsteigerndes Mittel. Mit Yoru no Okashi meinte der Hersteller jedoch, dass Unagi-Pie nach einem langen Arbeits- und Schultag das perfekte abendliche Süssgebäck für die ganze Familie sei.
Ohne Abonnenten kein Asienspiegel
Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs, der über 5000 kostenlos zugängliche Artikel bietet.
VORTEILE JAHRES-ABO
Klicken Sie hier, um mehr darüber zu erfahren.
- Zahlungsmittel: Master, Visa, PayPal, Apple Pay, Google Pay
- Für TWINT bitte via Asienspiegel Shop bezahlen
- Für Banküberweisung hier klicken