Japans Jahrhundertprojekt stockt
Es ist das Megaprojekt des 21. Jahrhunderts. Japans erste Magnetschwebebahn soll ab 2027 die Hauptstadt Tokio mit der Nagoya verbinden. Die 286 Kilometer lange Strecke wird der futuristische Zug mit einer Betriebsgeschwindigkeit von gut 500 Stundenkilometern in nur 40 Minuten zurücklegen. Der heutige Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen braucht dafür 90 Minuten. In einem zweiten Schritt soll die Strecke des sogenannten Chuo-Shinkansen bis nach Osaka verlängert werden. 2037 soll es soweit sein. Statt 145 Minuten dauert die Fahrt dann nur noch 67 Minuten. So sehen die ehrgeizigen Pläne aus. Seit Ende 2014 laufen die Bauarbeiten, die sich als sehr komplex erweisen.
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Denn im Gegensatz zum klassischen Tokaido-Shinkansen, der durch Wohngebiete und entlang der Pazifikküste fährt, wird der Chuo-Shinkansen kaum zu sehen sein. 246 der 286 Kilometer langen Strecke verlaufen in Tunneln. Die Magnetschwebebahn wird mitten durch die Bergregion der Hauptinsel Honshu fahren. Endstationen sind der Bahnhof Shinagawa in Tokio und der Hauptbahnhof Nagoya. Dazwischen wird es vier weitere Regionalbahnhöfe in den Präfekturen Kanagawa, Yamanashi, Nagano und Gifu geben.
Der unfreiwillige Stopp des Bauprojektes
Die Kosten und der Aufwand für dieses Projekt sind enorm. 9 Billionen Yen sind für die erste Etappe nach Nagoya veranschlagt. Herzstück ist ein 25 Kilometer langer Tunnel, der mitten durch die südliche Alpenregion führen wird und teilweise 1400 Meter unter der Erdoberfläche liegt. Tiefer wurde in Japan noch nie für einen Tunnel gegraben (Asienspiegel berichtete).
Der Tunnel verbindet die drei Präfekturen Kanagawa, Shizuoka und Yamanashi. Der längste Teilabschnitt wird 8,9 Kilometer lang sein und in der Präfektur Shizuoka verlaufen. Allerdings ist dies der einzige Abschnitt, an dem noch nicht gebaut wird. Denn Gouverneur Heita Kawakatsu wehrt sich seit 2017 wegen Umweltbedenken gegen den Tunnelbau in seiner Präfektur. Die lokale Bevölkerung befürchtet, dass man auf Grundwasser stossen und dem regionalen Fluss Oigawa Wasser entziehen könnte. Shizuoka produziert einen der besten Grüntees des Landes (Asienspiegel berichtete). Das will in Shizuoka niemand aufs Spiel setzen. Und einen Maglev-Bahnhof wird es in der Präfektur ohnehin nicht geben.
Eröffnungsdatum verschoben
JR Central hat zwar zugesichert, dass das Wasser im Notfall über Tunnel und Pumpstationen vollständig in den Oigawa zurückgeführt wird. Doch das reicht Kawakatsu nicht. Er fordert eine klare vertragliche Vereinbarung zum Schutz der Umwelt, die auch die Bevölkerung überzeugt. Er sei an ein entsprechendes Gesetz gebunden. Ohne die Zustimmung des Gouverneurs darf nicht gebaut werden. So will es das Gesetz zum Schutz der Flüsse. Doch Gespräche auf höchster Ebene, Gutachten und Lösungsvorschläge in den vergangenen zwei Jahren brachten keinen Kompromiss.
Dies hat dazu geführt, dass JR Central bei der Regierung (https://www3.nhk.or.jp/news/html/20231228/k10014302511000.html) offiziell eine Verschiebung des Eröffnungstermins von 2027 auf «nach 2027» beantragt hat. Das Verkehrsministerium stimmte dem neuen Termin am 28. Dezember 2023 zu. Damit steht fest, dass es kein offizielles Eröffnungsjahr für Japans Jahrhundertprojekt mehr gibt.
Wieso die Magnetschwebebahn?
Es stellt sich die Frage, warum sich Japan ein solches Mammutprojekt überhaupt zumutet. Schliesslich verfügt das Land mit dem Shinkansen über ein exzellentes Hochgeschwindigkeitsnetz, das weiter ausgebaut wird.
Die Regierung erhofft sich von der neuen Technologie vor allem einen Aufschwung, ähnlich wie nach der Eröffnung der ersten Shinkansen-Strecke 1964. Die drei grossen Wirtschaftsregionen Tokio, Nagoya und Osaka sollen noch enger zusammenwachsen und so international konkurrenzfähig bleiben. Der Chuo-Shinkansen wird als lebenswichtiges Backup angesehen, falls der Tokaido-Shinkansen durch ein Erdbeben oder einen Tsunami für Monate unterbrochen werden sollte. Zudem ist die Infrastruktur der 1964 eröffneten Tokaido-Shinkansen-Strecke in die Jahre gekommen.
Gleichzeitig soll der Chuo-Shinkansen beweisen, dass diese neue Technologie technologisch und wirtschaftlich funktioniert und damit auch in andere Länder exportiert werden kann.
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