Japans leidende «Nomikai»-Kultur
In Japan gehört der Alkoholkonsum zum guten Ton. Speziell das Feierabendbier und -essen mit Kollegen und Vorgesetzten ist ein Ritual, das fest in die Arbeitswelt eingebettet ist. Im beschwipsten Zustand fällt die Konversation bekanntlich leichter. Es ist zugleich das Schmiermittel für den Aufbau wichtiger Beziehungen. Diese Trinkkultur beginnt im Studentenalter und setzt sich durch das gesamte Arbeitsleben fort. In sogenannten Nomikai, den «Trinkanlässen», wird nur zu gerne einen über den Durst getrunken.
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Der Abend endet aber nicht hier. Nicht selten folgt das Nijikai, die Anschlussfeier, bei der man nach dem obligaten Trinken mit den Kollegen weiterzieht. Unter der Woche sind die Restaurants und Bars in den Städten entsprechend ausgelastet. Mit der Corona-Krise kommt diese Kultur jedoch unter Druck.
Das Nachtleben in der Kritik
In den vergangenen Monaten wurde in Japan das Nachtleben zu einem Infektionsherd des Coronavirus erklärt. So kommt es in den Host- und Hostessen-Clubs, in Karaoke-Bars und Restaurants wiederholt zu Cluster-Bildungen, die sich kaum kontrollieren lassen. Die lokalen Behörden haben in der Bekämpfung jedoch einen beschränkten Handlungsspielraum. Sie müssen mit rechtlich nicht bindenden Forderungen arbeiten. Eine Zwangsschliessung von Geschäften wie in anderen Ländern ist nicht möglich.
Aus diesem Grund versuchen die Millionenstädte mit unterschiedlichen Methoden, den natürlichen japanischen Drang zum Nomikai zu unterdrücken. In Tokio sind Restaurants und Bars bis Ende Monat aufgefordert, spätestens um 22 Uhr zu schliessen. Im Gegenzug hat Gouverneurin Yuriko Koike eine Entschädigung in der Höhe von 200’000 Yen versprochen. Mit dieser Massnahme hofft man, mehrstündige Essen mit Anschlussfeiern unterbinden zu können. In Osaka gilt derweil bis 20. August die Forderung, Trink- und Essanlässe mit nicht mehr als fünf Personen abzuhalten. Einen anderen Weg beschreitet derweil die Präfektur Fukuoka auf der Südinsel Kyushu. Dort bittet die Lokalregierung die Bevölkerung, bis zum 21. August die Nomikai auf maximal 2 Stunden zu reduzieren und das Nijikai wegzulassen. Man hofft damit, die aktuell steigenden Zahlen in den Griff zu bekommen (Asienspiegel berichtete), ohne das Wirtschaftsleben zu stark einzuschränken.
Die Gastronomie leidet
Die Botschaft ist klar: Japan muss seine Nomikai-Kultur überdenken oder neu gestalten, wie dies im April und Mai der Fall war. Während der «Stay Home»-Zeit hielten viele die Trinkkultur per Online-Chat aufrecht (Asienspiegel berichtete). Für die unzähligen Restaurants und Bars sind dies keine guten Nachrichten. Nicht alle werden diese Krise überleben. Inzwischen gab es in Japan 406 Insolvenzen, die in direktem Zusammenhang mit der Corona-Krise stehen. Am stärksten betroffen ist die Gastronomie und dies noch vor der Hotelbranche.
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