Covid-19: Heute New York und morgen Tokio?
Noch ist die Lage in Japan nicht so dramatisch wie in Europa oder in den USA. Doch die Zahlen sprechen eine klare Sprache. In Tokio nehmen die Covid-19-Erkrankungen stetig zu. Viele davon kann man nicht mehr zurückverfolgen. Knapp die Hälfte der landesweit über 3800 Ansteckungen wurden im Grossraum der Hauptstadt registriert. Momentan verdoppeln sich alle 7 Tage die Covid-19-Zahlen. Weil vergleichsweise wenige Tests durchgeführt werden, muss angenommen werden, dass die Dunkelziffer hoch ist.
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Die Vereinigung der Ärzte in Tokio hat gestern Alarm geschlagen und eigenhändig den medizinischen Notstand ausgerufen. Die Gefahr, dass das Gesundheitssystem in der Kapitale zusammenbreche, sei gross. Es brauche nun für mindestens sechs Wochen eine Ausgehbeschränkung.
Notstand: Die sieben Präfekturen
Die Warnungen sind auf der höchsten politischen Ebene angekommen. Nach langem Zögern hat Regierungschef Shinzo Abe am heutigen Dienstag den Notstand für die Regionen Tokio-Kanagawa-Saitama-Chiba, Osaka-Hyogo und Fukuoka ausrufen erklärt. Dieser Ausnahmezustand soll vorerst bis 6. Mai 2020 dauern.
Mit dem Notstand werden die Gouverneure der betroffenen Präfekturen mit mehr Vollmachten bei der Krisenbekämpfung ausgestattet. Sie können die Schliessungen von Schulen und Läden anordnen sowie Annullierungen von Veranstaltungen durchsetzen. Ausserdem kann somit der Verkauf von lebenswichtigen Gütern an die Lokalregierung angeordnet werden und privates Land temporär für die Nutzung medizinischer Institutionen konfisziert werden.
Die Auswirkungen
Es ist zugleich zu betonen, dass selbst bei einem Notstand den Behörden die Hände gebunden sind. Bei der Ausgehbeschränkung wird es eine Forderung ohne Androhung einer Geldstrafe bleiben. Einen rigorosen Lockdown mit Strafen wie in manchen europäischen Ländern wird es nicht geben. Hierzu fehlt der rechtliche Rahmen.
In diesem Sinne wird es für die Bevölkerung keine dramatische Änderung geben. Tokio ist ohnehin seit zwei Wochen in einem Zustand des sanften Lockdown (Asienspiegel berichtete). Besonders an den Wochenenden sind jetzt schon viel weniger Menschen unterwegs. Viele Läden und Restaurants haben bereits freiwillig geschlossen, als Vorsichtsmassnahme oder weil schlichtweg die Gäste ausbleiben (Asienspiegel berichtete).
Ein sanfter Lockdown
Gouverneurin Yuriko Koike machte an einer Pressekonferenz klar, dass sie mit dieser Politik weiterfahren werde. Es werde vor allem darum gehen, Veranstaltungen abzusagen wie auch das Nachtleben herunterzufahren. Die Menschen sollen nur für das wirklich Notwendige ausser Haus gehen. Spaziergänge und sportliche Betätigungen für die Gesundheit werden weiterhin erlaubt sein.
Die offizielle Notstandserklärung wird vor allem dazu beitragen, das Bewusstsein für die aktuelle Gefahr zu fördern. Viele Unternehmen, die Home-Office oder ähnliche Massnahmen für ihre Mitarbeiter bislang mit Verweis auf die fehlende Anordnung der Zentralregierung unterlassen haben, müssen nun reagieren.
Die Warnung aus New York
Derweil zeigt sich Yuichi Shimada, ein in Manhattan tätiger Arzt, im Interview mit Jiji News am 5. April 2020 besorgt. In Tokio sei es aktuell ähnlich wie in New York vor zwei bis drei Wochen. Es gebe noch zu viele Ansammlungen in der japanischen Hauptstadt. Er habe das Gefühl, dass viele Japaner den Ernst der Lage noch nicht erkannt hätten. Man sei zu unbekümmert. Auch im Big Apple sei es genauso gewesen, bis es zur explosionsartigen unkontrollierbaren Verbreitung kam. Metropolen wie New York und Tokio seien wegen der stark genutzten öffentlichen Verkehrsmittel und den vielen Restaurants und Bars besonders anfällig.
In New York ist die Lage mit über 120’000 Infizierten und 4000 Toten inzwischen dramatisch. Es bleibt zu hoffen, dass die Notstandserklärung in Tokio und anderen Städten in Japan Wirkung zeigt und eine explosionsartige Verbreitung verhindert wird.
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