«Raus aus Tokio»: Die Angst vor der Stadtflucht
Für Tokio und sechs weitere urbane Präfekturen gilt wegen der Coronavirus-Krise seit Dienstag der Ausnahmezustand (Asienspiegel berichtete). Viele Restaurants, Geschäfte und Kaufhäuser haben für die nächsten Wochen geschlossen. Die Behörden haben die Unternehmen gebeten, auf Home-Office zu setzen. Die Einwohner sollen möglichst zu Hause bleiben, auch wenn es sich hierbei um keinen Zwang, sondern um eine Forderung handelt (Asienspiegel berichtete). Doch bereits treten erste Nebenerscheinungen dieses regional begrenzten Notstandes auf.
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Am Tag der Notstandserklärung war auf einmal von der Sorge um Tōkyō Dasshutsu («Flucht aus Tokyo») und Corona Sokai («Die Corona-Evakuierung») in den japanischen Medien zu lesen. Gemeint ist damit das Verlassen der Hauptstadt, um noch womöglich noch strengeren Massnahmen zu entgehen. Man fährt zurück ins Elternhaus auf dem Land oder richtet sich fernab der Hauptstadt für einige Monate in einem Hotel oder in einer Zweitwohnung ein.
Die Angst vor neuen Cluster-Bildungen
Wie stark diese Bewegung eingesetzt hat, ist noch schwer abzuschätzen. Im Grunde genommen wird niemandem verboten, in einen Zug, einen Bus oder in ein Flugzeug zu steigen. Die Gefahr, dass das Virus noch stärker aufs Land getragen wird, ist bei der aktuellen Konstellation gross. Das Phänomen erinnert an Italien, als der Lockdown zunächst nur für den Norden des Landes galt und daraufhin viele in ihre Heimat in den Süden flüchteten.
Tokio ist prädestiniert für eine derartige Entwicklung. Die Hauptstadt ist ein Melting-Pot. Hier kommen Menschen des ganzen Inselstaates zusammen, um zu studieren und Karriere zu machen. Tokio ist eine der wenigen Regionen, die noch einen stetigen Zufluss an Menschen verzeichnet und dies in einem Land in der die Bevölkerungszahl rasant schrumpft (Asienspiegel berichtete). Nicht wenige Bewohner in Tokio haben also irgendwo in Japan ein Elternhaus, das gerade in Zeiten eines Lockdowns wesentlich mehr Annehmlichkeiten bietet als die enge 1-Zimmer-Wohnung in der Millionenmetropole.
Die Bitte der ländlichen Präfekturen
Die Gouverneure der ländlichen Präfekturen sind besorgt. Die Fuji-Präfektur Yamanashi, die sich gleich neben Tokio befindet und in der Coronavirus-Krise bislang glimpflich davon gekommen ist, hat die Hauptstädter gebeten, von einem Tōkyō Dasshutsu abzusehen, um gerade auch die ältere Bevölkerung und die eigene Familie zu schützen. Auch Denny Tamaki, Gouverneur von Okinawa, hat die Menschen der Hauptinsel gebeten, Reisen zur Inselgruppe möglichst zu unterlassen. Das Leben und die Gesundheit der Einwohner habe höchste Priorität. Das Inselparadies ist gewöhnlich ein beliebtes Ferienziel während der Golden Week-Feiertagsperiode (Asienspiegel berichtete).
Die ländlichen Präfekturen Tottori und Iwate, die bislang noch keinen einzigen Covid-19-Fall registriert haben, bitten derweil alle, die aus einem Notstandsgebiet in ihre Region ziehen, für 14-Tage zu Hause zu bleiben. Denn ausgerechnet im April kommt es infolge des neuen Geschäfts- und Schuljahres zu jeweils vielen Umzügen in ganz Japan. Dieser Umstand verschärft die Gefahr einer weiteren Verbreitung des Coronavirus im ganzen Land.
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