Der Shinkansen in der Krise
Ein Blick auf die Shinkansen-Zahlen reicht aus, um zu sehen, wie diszipliniert sich die Japaner an die «Stay Home»-Forderung der Behörden halten (Asienspiegel berichtete). Zwischen dem 24. April und 6. Mai 2020 zählten die sechs JR-Betreiber in ihren Shinkansen und Limited-Express-Zügen gerade mal 916’000 Passagiere. Das entspricht einem Rückgang um 95 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Während der Golden Week-Feiertagsperiode 2019 waren es noch 17,12 Millionen Passagiere.
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Der Tōkaidō-Shinkansen, der Tokio mit Osaka verbindet und zugleich die älteste und wichtigste Hochgeschwindigkeitszug-Strecke Japans ist, musste einen Passagierrückgang von 94 Prozent hinnehmen. Es ist der stärkste Einbruch seit der Privatisierung der nationalen Bahngesellschaft JNR im Jahr 1987 (Asienspiegel berichtete).
Der ausgedünnte Fahrplan
Diese Entwicklung hat nicht erst in der Golden Week ihren Anfang genommen. Seit März verzeichnen die JR-Bahnbetreiber wegen der Covid-19-Krise rückläufige Zahlen (Asienspiegel berichtete). Dies führt nun dazu, dass alle JR-Bahnbetreiber bis auf Weiteres auf einen ausgedünnten Fahrplan umstellen.
Ab dem 11. Mai 2020 werden die Verbindungen auf der Tōkaidō-Strecke um 33 Prozent reduziert. Der schnellste Shinkansen Nozomi wird somit noch ein bis drei Mal pro Stunde zwischen Tokio und Osaka verkehren. Die Fahrzeiten der Shinkansen Hikari und Kodama, die an mehr Stationen halten, bleiben derweil unverändert bestehen. Passagiere, die bereits eine Reservation für einen annullierten Shinkansen getätigt haben, erhalten eine kostenlose Rückerstattung.
Aufgrund dieser Anpassung verkehren täglich noch 251 Verbindungen zwischen den beiden Metropolen. Das mag zwar noch immer nach ganz viel klingen. Für Betreiber JR Central ist es jedoch ein historischer Rückschritt. So gibt es allein auf der Tōkaidō-Strecke zu normalen Zeiten bis zu 373 Verbindungen pro Tag. Es ist das Resultat einer kontinuierlichen Modernisierung und unermüdlichen Optimierung in den letzten 56 Jahren.
Ein Blick in die Geschichte
Bei der Eröffnung des Tōkaidō-Shinkansen 1964 existierten «erst» 60 Verbindungen pro Tag. Der grosse Sprung erfolgte 1992, als die Nozomi-Verbindung mit einer Spitzengeschwindigkeit von 270 km/h eingeführt wurde. Auf einen Schlag dauerte die Fahrt von Tokio nach Osaka nur noch 2 Stunden 30 Minuten.
Zunächst wurde dieser superschnelle Nozomi ein Mal pro Stunde angeboten. 2003 waren es bereits sieben. Mit noch moderneren Zügen, einer neuen Spitzengeschwindigkeit von bis zu 285 km/h und weiteren Verbesserungen bei den Arbeitsabläufen wurde diese Zahl auf 10 und dieses Jahr schliesslich auf 12 erhöht. Während der Hauptverkehrszeiten waren somit bis zuletzt 12 Nozomi, 2 Hikari und 3 Kodama pro Stunde unterwegs. Diese bis zur Perfektion getriebene Taktfrequenz erlebt nun einen unfreiwilligen Unterbruch.
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