Die neue Restaurantwelt
Ein Rückblick auf Ereignisse, die Japan in der Woche vom 4. Mai bis 10. Mai 2020 beschäftigt haben.
MONTAG: Leere Sehenswürdigkeiten
Es war die ruhigste Golden Week in der Geschichte Japans. Eine Smartphone-Auswertung des Telekomkonzerns KDDI zeigte eindrücklich, wie wenig los war. In der Umgebung des Grossen Schreins von Ise sank die Besucherzahl am Montag um 95,1 Prozent. Beim Bahnhof des Bergortes Karuizawa, einem beliebten Ausflugsziel der Tokioter, wurde ein Rückgang von 92,3% verzeichnet. Auch in der Metropole Tokio selber gab es deutlich weniger Passanten. So sank beispielsweise beim sonst so belebten Tempelbezirk des Sensō-ji in Asakusa die Besucherzahl um 70,1 Prozent (Asienspiegel berichtete). Im Kenrokuen-Garten von Kanazawa waren es 76,6 Prozent weniger.
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DIENSTAG: Das kinderarme Land
Am Dienstag war der «Tag des Kindes». Es handelt sich um einen offiziellen Feiertag, der den Abschluss der Golden Week bildet. An diesem Tag ist es üblich, dass die Familien mit Kindern bunte Karpfenfahnen, sogenannte Koinobori, vor ihrem Haus aufhängen. Für jedes Familienmitglied gibt es einen «fliegenden Koi-Karpfen». Es werden jedoch immer weniger. Denn Japan ist mittlerweile ein kinderarmes Land. Gerade mal 15,12 Millionen Einwohner sind im Inselstaat unter 14 Jahre alt. Damit machen sie noch 12 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Seit 39 Jahren hält diese Entwicklung an. Dabei war Japan einst überaus kinderreich. 1954 waren noch 30 Millionen und somit etwas über 30 Prozent unter 14 Jahren.
MITTWOCH: Die neue Restaurant-Realität
Auch in Japan setzen die Restaurants während des Notstandes auf Take-Away und Lieferdienste. Andere haben in dieser Zeit gleich komplett dichtgemacht. Im Gegensatz zu vielen andern Ländern sind die Restaurants jedoch nicht dazu verpflichtet. In Tokio gilt einzig die Bedingung, dass man spätestens um 20 Uhr schliessen muss. Nicht wenige machen daher weiter. Das Cheers One in Ginza ist so ein Beispiel. Das Izakaya bleibt offen, setzt jedoch strenge Sicherheitsmassnahmen um. So wird am Eingang die Temperatur des Gastes gemessen, Hände und Smartphone werden desinfiziert. Der Besucher erhält daraufhin eine Maske, Handschuhe und ein Gesichtsvisier. Erst nach dieser gründlichen «Inspektion» wird einem ein Platz zugewiesen. Um die Sicherheitsabstände einzuhalten, wird die Zahl der Gäste im Cheers One um 50 Prozent reduziert. Es stellt sich jedoch die Frage, ob man unter diesen Umständen noch ins Restaurant gehen will?
DONNERSTAG: 119 Konkurse wegen Covid-19
Bis am Donnerstag, 7. Mai 2020, haben in Japan 119 Firmen als Folge des Coronavirus Insolvenz angemeldet. Am härtesten trifft es die Hotelbranche und Gastronomie. Noch kommen viele dank der Staatshilfe und günstigen Krediten über die Runden. Doch allmählich weitet sich die Krise aus. Auch den Modegeschäften geht immer mehr das Geld aus. Solange der Notstand anhält, bleibt es schwierig, kurzfristig rettende Investoren zu finden.
FREITAG: Wie Japan die Mieter schützen will
Die Wirtschaft leidet. Vielen kleineren Restaurants und Geschäften fehlen jetzt schon die flüssigen Mittel. Sie erhalten vom Staat nun 2 Millionen Yen Unterstützung, sofern sich der Umsatz seit Januar im Vergleich zum Vorjahr halbiert hat. Für Selbständige sind 1 Million Yen vorgesehen. Es ist ein Teil des beschlossenen Hilfspaketes für die Wirtschaft. Am Freitag wurden an 23’000 Unternehmen die ersten Zahlungen getätigt. Doch damit ist die Arbeit noch lange nicht beendet. Insgesamt haben rund 500’000 Firmen und Selbständige diese Hilfe beantragt. Die beiden Regierungsparteien LDP und Kōmeito wollen zudem eine weitere Hilfe einleiten. Demnach soll der Staat kleineren Unternehmen, die einen starken Umsatzrückgang hinnehmen musste, während sechs Monaten zwei Drittel der Miete bezahlen. Der Maximalbetrag liegt bei 500’000 Yen. Der Antrag wurde Regierungschef Shinzo Abe am Freitag überreicht.
SAMSTAG: Die «Selbstbeschränkungs-Polizei»
In der Zeit des Covid-19-Notstandes ist die Schweiz zu einem Land der Hilfspolizisten geworden. Mehr als 14’000 Meldungen wegen angeblicher Verstösse gegen die Corona-Regeln sind bei der Polizei seit Mitte März eingegangen. Auch in Japan fühlen sich durch den Notstand offenbar viele Bürger dazu ermächtigt, den Mitbürgern auf die Finger zu schauen. Sie fordern Restaurants und Geschäften eigenhändig auf, zu schliessen und belästigen Autofahrer, die ein Nummernschild aus einer anderen Präfektur haben. Von Jishuku-Keisatsu, der «Selbstbeschränkungs-Polizei», ist auf Japanisch die Rede. So wird in Japan seit der Covid-19-Krise immer wieder von Jishuku, der «Selbstbeschränkung» gesprochen, da die Covid-19-Massnahmen rechtlich gesehen lediglich auf Forderungen ohne die Möglichkeit auf Strafandrohung beruhen.
SONNTAG: Der aktuelle Stand
Die Covid-19-Kurve ist am Abflachen. Seit einer Woche bleiben die Zuwachszahl in der Hauptstadt im zweistelligen Bereich. Am 7. Mai wurden landesweit sogar weniger als 100 neue Erkrankungen verzeichnet. Das gab es seit dem 30. März nicht mehr. Die Behörden bleiben trotz der positiven Entwicklung vorsichtig. Die Regierung mahnt, dass eine Aufhebung des Notstandes erst möglich werde, wenn die Neuansteckungen nachhaltig tief bleiben. Am 14. Mai wird das Expertengremium eine erste Analyse vornehmen. Der landesweite Notstand ist offiziell noch bis zum 31. Mai gültig. Unter spezieller Beobachtung stehen die 13 Präfekturen Hokkaido, Ibaraki, Saitama, Chiba, Tokio, Kanagawa, Ishikawa, Gifu, Aichi, Kyoto, Osaka, Hyogo und Fukuoka. Zugleich wurden die bislang strengen Testbedingungen gelockert. Ab sofort sollen auch Personen mit leichten Symptomen sofort ärztlichen Rat einholen und getestet werden können. Japan ist zusammen mit Mexiko, das OECD-Land, das am wenigsten testet (Asienspiegel berichtete).
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