Eine Nacht auf dem Tempelberg Kōyasan
REISENOTIZEN – In dieser Serie berichte ich von meiner Reise durch das herbstliche Japan – in chronologischer Reihenfolge.
Meine Reise führt mich von Kyoto mit der Nankai-Bahn in die ländliche Präfektur Wakayama südlich von Osaka. Mit einer Standseilbahn geht es auf den berühmten 800 Meter hohen Kōyasan. Die Geschichte dieses faszinierenden Tempelbergs reicht bis ins Jahr 819 zurück, als der Mönch Kūkai (posthum Kōbō Daishi) nach seiner Rückkehr aus China beschloss, auf dem abgelegenen Berg den Hauptsitz des Shingon-Buddhismus zu errichten. Über die Jahrhunderte entstand so eine Tempelstadt mit mehreren Pilgerwegen.
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117 Tempel gibt es heute. Der Kongōbuji mit dem grössten Steingarten Japans ist das spirituelle Zentrum dieser heiligen Stätte. Ein weiterer zentraler Ort ist der Okunoin, wo der Gründer Kūkai Okunoin begraben liegt und bis heute verehrt wird. Zweimal täglich bringen ihm Mönche im Rahmen eines Rituals Speisen dar.
Mitten im Wald gelegen, ist der Okunoin der grösste und wohl berühmteste Friedhof Japans. Zwei Kilometer lang führt der Weg, der Tag und Nacht geöffnet ist, an unzähligen Gräbern vorbei bis zur Gobyōbashi-Brücke, die den Eingang zum Kūkai-Mausoleum markiert.
Unzählige Persönlichkeiten der japanischen Geschichte werden in diesem mystischen Wald mit zum Teil prunkvollen Grabstätten geehrt. Selbst japanische Grossunternehmen sind hier mit Firmengräbern präsent. Über 200’000 Grabsteine sind es. Es ist ein wahrer Spaziergang durch die Geschichte des Inselstaates.
Eine Tempelübernachtung
Früher pilgerten buddhistische Mönche und Gläubige nach Kōyasan, wo sie in den Tempeln eine Unterkunft für die Nacht fanden. Heute zieht Shukubō, wie die Tempelübernachtung auf Japanisch heisst, auch Touristen aus aller Welt an. In 51 Tempeln wird Shukubō angeboten. Auch ich konnte mich dieser Faszination nicht entziehen. Ich übernachtete im Tempel Shōjōshinin, der direkt vor dem Eingang zum Okunoin liegt. Gleich nach meiner Ankunft hatte ich die Möglichkeit, dem Feuergebet Gomadaki beizuwohnen.
Dabei wird mit einem heiligen Feuer und einem rhythmischen Mantra die Hilfe Buddhas angerufen, um die Seele zu reinigen. Bei diesem hypnotisierenden Ritual werden längliche Holzscheite (jp. gomaki), auf die man vorher seinen Wunsch geschrieben hat, ins Feuer geworfen und so zu Buddha geschickt.
Vegane Küche
Eine Spezialität der Tempel ist die buddhistische Küche, die abends und morgens serviert wird. Shōjinryōri basiert auf vegetarischen Zutaten wie Gemüse und Getreide. Fleisch und Fisch sind tabu. Auch auf geschmacksintensive Gemüse wie Zwiebeln und Knoblauch wird verzichtet. Das Essen wird möglichst mit lokalen Zutaten zubereitet und immer der Jahreszeit angepasst. Wie beim Kaiseki spielen Farben, Präsentation und Geschmackskombination eine zentrale Rolle (Asienspiegel berichtete).
Das Morgengebet
Noch vor dem Morgenessen kann man als Gast dem frühen Morgengebet beiwohnen. Es ist ein fast einstündiges Ritual, bei dem buddhistische Sutras in der kalten, klaren Morgenluft des Tempels rezitiert werden, und für viele der Inbegriff eines Besuchs in Koyasan. Ich beendete meinen Besuch mit einem Spaziergang durch den morgendlichen Okunoin, bevor mich meine Reise zu einem ganz weltlichen Erlebnis führte.
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