Wenn Millionen Pendler stranden
Vor zwei Jahren befasste sich ein Expertenteam der Katastrophenverhütung mit einem Worst-Case-Szenario für Tokio. Für die 35-Millionen-Metropole rechneten Sie bei einer Erdbebenstärke von 7,3 mit 9700 Toten und 147’600 Verletzten. Rund 378’000 Gebäude würden zerstört, davon würde ein Grossteil dem Feuer zum Opfer fallen (Asienspiegel berichtete).
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Je nach Szenario und Bemessungsgrundlage unterscheiden sich die Schätzungen, doch sie sprechen alle eine klare Sprache: die Hauptstadt Japans muss sich ständig neu auf die mögliche Katastrophe einstellen und vorbereiten. Das gilt auch für den Verkehr und die öffentliche Infrastruktur. Dies zeigte sich bereits beim Grossen Erdbeben vom 11. März 2011, als in Tokio das Bahnsystem zum Erliegen kam und Millionen von Menschen zu Fuss nach Hause gehen mussten. Für die Behörden war dies ein Warnschuss.
Das japanische Ministerium für Infrastruktur, Transport und Tourismus hat aus diesem Grund nun ein eigenes Katastrophenszenario erstellt, das den Fokus auf den öffentlichen Verkehr und Infrastruktur legt, wie die Asahi Shimbun berichtet.
1,8 Millionen gestrandet
Ein Erdbeben um 8 Uhr am Morgen eines gewöhnlichen Wochentags hätten demnach direkte Folgen für mindestens 1,8 Millionen Pendler in der Grossregion Tokio, Kanagawa und Saitama. Sie wären auf einen Schlag in den Bahnhöfen und in den Zügen gestrandet. 45 Flugzeuge wären gezwungen ihren Anflug auf den Tokioter Flughafen Haneda abzubrechen und an einem anderen Ort zu landen. Laut dem Ministerium könnten Start- und Landebahn in der Hauptstadt durch die Erschütterungen stark beschädigt werden.
Viele der 260’000 Aufzüge würden irgendwo zwischen den Etagen stecken bleiben. Laut einer früheren Studie wären mindestens 17’000 Menschen eingeschlossen. Bereits am 9. März mussten einige Menschen bis zu 9 Stunden in den engen Kabinen ausharren. Damals waren glücklicherweise nur 84 Aufzüge in der ganzen Stadt stecken geblieben (Asienspiegel berichtete).
Mehr Sicherheit bis in sechs Jahren
Basierend auf diesen Schätzungen möchte das Ministerium für Transport nun vorwärts machen. Bereits in sechs Jahren stehen die Sommerspiele an. Bis dann sollen die geplanten Sicherheitsmassnahmen abgeschlossen sein. So sollen bereits bis 2017 alle Bahnhöfe, die täglich von mehr als 10’000 Pendlern benutzt werden, besser für den Notfall gerüstet werden. Dazu gehört Ausbau der Erdbebensicherheit für die Gebäude. Auch die Flugkontrolle in Haneda muss bis dann über die Bücher gehen.
Für die Aufzüge haben die Hauptstadbezirke bereits begonnen, Vorkehrungen für den Fall der Fälle zu treffen. In ausgewählten Wohnhäusern sollen Lifte mit Trinkwasservorräten, Decken, Notfallausrüstungen und gar mobilen Toilettensets ausgerüstet werden. Damit soll nicht nur die lange Wartezeit erträglicher gemacht, sondern auch unter Umständen Leben gerettet werden (Asienspiegel berichtete).
Keine Wasserversorgung, brennende Häuser
Wasser könnte laut dem Szenario des Transportministeriums ebenfalls zum Problem werden. Für schätzungsweise 30 Prozent der Bewohner im Grossraum Tokio könnte die Wasserversorgung während mehreren Tagen unterbrochen sein. Laut NHK News bereiten den Behörden die alten Stadtquartiere mit Häusern die noch aus Holz gefertigt wurden, grosse Sorge.
Denn nach dem Erdbeben kommen gewöhnlich die Brände. Bis zu 400’000 Gebäude könnten dem Feuer ausgesetzt sein. Um dieses Risiko zu minimieren, sollen in den nächsten sechs Jahren möglichst viele betroffenen Häuser renoviert oder umgebaut werden. Auch viele Strassen sollen verbreitert werden, um ein Überschwappen des Feuers auf andere Quartiere und Häuserzeilen zu verhindern.
Wann kommt das nächste Beben?
Wann das nächste grosse Erdbeben kommt, kann jedoch niemand vorhersagen. 2011 hiess es noch von Seismologen der Universität Tokio, dass die Metropole bis 2016 mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent von einem verheerenden Erdbeben bis zur Stärke 9 erfasst werden könnte (Asienspiegel berichtete). Inzwischen haben sie diesen Wert auf etwas tiefere 50 Prozent korrigiert.
Das letzte ganz grosse Erdbeben in Tokio ereignete sich am 1. September 1923. Damals wurde die Stärke 7,9 gemessen. Das Grosse Kanto-Erdbeben forderte damals 140’000 Menschenleben.
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