Was die jungen Japaner wollen

In Japan waren noch nie so viele Menschen im besten Heiratsalter Single. Und wenn es keine Ehe in Japan gibt, dann fehlen auch die Kinder. Die Geburtenrate ist seit Jahren anhaltend tief. Dieser Trend liegt in einem wirtschaftlich unsicheren Umfeld begründet und in Rahmenbedingungen, die gesellschaftlich nicht mehr zeitgemäss sind (Asienspiegel berichtete).
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Nun hat die Regierung für ihr Weissbuch genauer nachgefragt, wie die Mainichi Shimbun berichtet. In einer umfassenden Umfrage, bei der 13’260 Menschen im Alter zwischen 20 und 59 Jahren teilnahmen, wollte sie wissen, wie der Staat helfen kann, um den Bund der Ehe wieder attraktiv zu machen. Mehrere Antworten waren dabei möglich.
Mehr Geld, mehr Sicherheit
Das Resultat zeigt, dass die Finanzen im Zentrum stehen. So meinen 47,3 Prozent, dass man sich wirtschaftlich stabile Verhältnisse für seinen Haushalt wünscht. Gleich dahinter, mit 45,8 Prozent, wird ein «besseres Umfeld für arbeitende Ehepaare» gefordert. 45,7 Prozent wollen eine sichere Stelle.
Es ist eine tief sitzende Sorge über die eigenen finanzielle Zukunft, die bei dieser Umfrage zum Ausdruck kommt. Die Zeiten, als man in Japan eine lebenslange Stelle in einem Grosskonzern zugesichert bekam, sind schon lange vorbei. Heute schlägt sich ein Grossteil der jungen Erwachsenen mit befristeten Arbeitsverträgen und Teilzeitjobs mehr schlecht als recht durch (Asienspiegel berichtete).
Eine Statistik im Weissbuch verdeutlicht dieses Bild. Zwischen 5 und 7 Millionen Yen (das sind heute 36’000 bis 50’000 Euro) war 1997 der am häufigsten genannte Jahreslohn für die Menschen zwischen 30 und 39 Jahren. 2012 sind es nur noch 3 Millionen Yen (21’000 Euro). Die Generation der Personen im besten Heiratsalter verdient inzwischen viel zu wenig, um eine Familie überhaupt ernähren zu können.
Mehr Chancengleichheit
Eine Lösung, die sich anbietet, wäre die Förderung von Doppelverdienern. Doch noch immer ist es im Normalfall so, dass sich die Frauen zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen. Diese gesellschaftlichen Vorstellungen ändern sich nur langsam, auch wenn Premierminister Shinzo Abe angekündigt hat, die Frauen besser in den Arbeitsprozess integrieren zu wollen (Asienspiegel berichtete).
Eine Grafik der Huffington Post Japan verdeutlicht zwar, dass in den letzten 25 Jahren die Zahl der erwerbstätigen Frauen angestiegen ist, aber gleichzeitig das Angebot an festen Anstellungen mit allen sozialen Sicherheiten stagniert hat. Um Abes Vision umzusetzen, müssen sich zuallererst die gesellschaftlichen Wertvortstellungen ändern, was bekanntlich ein langsamer Prozess ist.
Die 100-Millionen-Grenze
Bleibt die Geburtenrate weiterhin so tief wie in den letzten Jahren wird es bereits 2048 weniger als 100 Millionen Einwohner in Japan geben. Mitte Mai empfahl eine Beratungskommission des Premierministers jedoch, die Bevölkerungszahl in den nächsten 50 Jahren nicht unter 100 Millionen fallen zu lassen, wie die Japan Times berichtete. Erstmals wurde damit eine konkrete Zielsetzung genannt.
Die Berater von Abe schlagen vor, das Budget für die Sozialkosten von der älteren zugunsten der jüngeren Bevölkerungsschicht zu verschieben. Die Zulassung von mehr Immigranten (Asienspiegel berichtete) ist für das Gremium derzeit kein Thema, weil es für diese Massnahme keine Mehrheit gebe.
Es bleibt die Erkenntnis, dass nur ein nachhaltiger Wirtschaftsaufschwung Japans sowie ein gesellschaftliches Umdenken den Bevölkerungsrückgang und die Heiratsunlust stoppen können. Für die Regierung wird dies in den kommenden Jahren zur grössten Herausforderung.
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